Der geschilderte Vorfall ereignete sich im Zweiten Koalitionskrieg /1798/99-1801/02), der von einer Allianz um Russland, Großbritannien und Österreich gegen das revolutionäre Frankreich geführt wurde.
Wie schon im ersten Koalitionskrieg 1796 wurde der Krieg unter dem französischen General Jean-Victor Moreau nach Bayern getragen und u.a. Donauwörth von den Franzosen besetzt. Die französischen Truppen schlugen die Österreicher und die mit ihnen verbündete württembergisch-bayerische Truppen unter anderem in der Schlacht bei Höchstädt (19. Juni 1800) und dem Gefecht bei Neuburg an der Donau (26./27. Juni 1800).
Nach dem kurzen Waffenstillstand von Parsdorf (15. Juli 1800) kam es für die bayerische Armee zur Katastrophe. Zusammen mit ihrem österreichischen Verbündeten Erzherzog Karl erlitten sie bei Hohenlinden am 3. Dezember 1800 eine schwere Niederlage. Damit war der Zweite Koalitionskrieg endgültig zugunsten Frankreichs entschieden.
Der erfolgreiche Überfall der Einheiten unter Adam Graf Mier am 6. Juli 1800 auf die Franzosen war in diesem Krieg lediglich ein kleines Intermezzo. Nach dem erfolgreichen Angriff zog sich die österreichische Einheit schnell wieder nach Nördlingen zurück. Festgehalten wurden der Überraschungsangriff vom 6. Juli 1800 u.a. von Abt Cölestin Königsdorfer und Johann Baptist Schön.
Johann Baptist Schön in Gedichte (1804), S.188ff.:
Auf den am 6. Jul. 1800 vom Graf Mier’schen Freycorps in Donauwörth gelungenen Ueberfall.
Wohl dir, wohl dir o Bürgersmann!
Graf Mier mit seinem Corps sprengt an;
Durch Fußvolk, und durch Reiterey
Macht er dich bald vom Feinde frey;
Sieh nur! – auf seiner Stirne ruht
Genie verschwistert mit dem Muth’;
Mit blankem Säbel in der Hand
Ruft er: wer thut uns Widerstand?
Schon fällt im Städtchen Schuß auf Schuß,
Schon fliegt das Bley wie Regenguß;
Dem Feuer folget Knall auf Knall,
Das Pflaster bebt vom Wiederhall’;
Die Schwerter klingen in der Luft,
Und bahnen Weg zur Todtengruft;
Hoch raucht die Straß’ vom Pulverdampf,
Und mancher Franke stürzt im Kampf’;
Er stürzt (doch lang’ nach ihm sein Muth)
Und färbt das Erdreich dick mit Blut;
Jetzt unterliegt die Garnison
Dem Siegercorps, und fleht Pardon,
Die Garnison erhält ihn auch,
Und wird nach altem Kriegesbrauch’
Sogleich gefangen, desarmirt,
Und bis auf’s Hemdlein – confiscirt;
Da giebt’s nun Beuten (viel, und schwer)
Gold, Uhren, und noch ander’s mehr,
Der Ungar schmotzt, und donnert sein
Passam ma Leika! freudig drein;
Er steckt den Fang vergnügt zu sich,
Und streicht den Schnurbart ritterlich;
(Den selten grünt der Tapferkeit
Ein Lorbeerkranz so fett, wie heut’)
Doch welch’ Geräusch? man bläst Allarm;
Man sammelt sich; – daß Gott erbarm’!
Nach reich – erkämpftem Geld, und Schmaus’
Wird commandirt: Staubaus! Staubaus!
Bleib’ doch bey uns o lieber Mier!
Sonst sind die Franzosen morgen hier;
Und ach! wie wird’s dem Städtchen geh’n,
Wenn’s ihre Brüder nicht mehr seh’n,
Doch eil’st du nun Uhlanenheld!
Nach einem weitern Beutefeld’;
Dann laß’ uns wenigstens Herr Mier!
Den Trost des Wiederkommens hier!
Allein! umsonst! Graf Mier zieht ab!
Und läßt das Städtchen öd’ wie Grab;
Weh’ dir, weh’ dir o Bürgersmann!
Ein neuer Feind rückt – morgen an.
__________________________________________________________________________
Cölestin Königsdorfer (1829):
Geschichte des Klosters zum Heil. Kreutz in Donauwörth / 3,2: Bd. 3 ; Abth. 2. Vom Jahre 1796 bis zu seiner Auflösung
S. 99ff
“(…) Gar nichts ahnend von Gefahr trieb die französische Kommandantschaft ihr Wesen ruhig fort, als an einem der schönsten Sommermorgen, es war Sonntags den 6. July, Frühe um 8 Uhr, plötzlich vom Galgenberg her ein Kanonenschuß fiel, das Signal zum schleunigsten Ueberfall der um und in Donauwörth weilenden Republikaner. Sie wurden, genau nach Jagdregeln, auf drei Seiten, in der Mitte von Berg her, rechts über die Wernitzwühre, links vom Schellenberge aus, unter beständigen Pistolen- und Musketenfeuer, in die Stadt hinein, zum Riedthor hinaus, zwischen diesem und den Krautgarten so zusammen getrieben, daß ihnen nichts übrig blieb, als sich ihren Treibern gefangen zu geben. Sieben büßten ihr Leben ein, mehrere wurden verwundet, alle rein ausgeplündert. Die Beute war groß, unter andern ungefähr 6000 fl. Contribution vom Landgerichte Monheim, die kurz vor dem Angriffe auf einem Karren daherkam, und noch unabgeladen auf dem Markte stand. Ein österreichisches Streifkorps, bestehend aus beyläufig 500 Mann Barko-Husaren, Uhlanen und Scharfschützen, unter Anführung des Rittmeisters Grafen von Mier, hatte das Wagestück so glücklich vollbracht. Aber gleich Anfangs, – welcher Schrecken! überall flogen die Kugeln umher, unter ihnen hin das eiligste Davonrennen der Franzosen, der Schanzer, der Bürger und Bauern, der Männer, Weiber und Kinder, besonders vom Schellenberge herab; wir sahen alles mit freien Augen. Nachher welcher Jubel unter der Bürgerschaft über den Anblick kaiserlicher Krieger, ihrer so sehr erwünschten Befreyer, mitunter wohl auch Mitleid und Bedauern der nun auf einmal so übel zugerichteten Quartiersgäste! – Zuletzt welches Zagen und welche Bangigkeit, da kaum nach 2 Stunden die vermeinten Befreyer mit ihrer Beute und ihren Gefangenen eilig wieder hinzogen gegen Nördlingen, wo sie hergekommen waren. Dreymal, und äußerst verlegen während dem ganzen Hergang, war Abt Cölestin mit uns. Er wollte eben bey so scheinbarer Ruhe, und bey so reitzendem Wetter als Kirchweihgast, seinen Bruder in Lutzingen besuchen, als der erste Schuß und der Lärm erscholl: die Oesterreicher sind da! – Zitternd sprang aus dem Bauhofe hervor, und der Abtey zu – der einzige nach dem Abzuge des Hauptquartiers bey uns zurückgebliebene Chasseur. Er hatte nebst dem seinigem ein in Kur stehendes vortreffliches Reitpferd seines Obersten zu verpflegen; und nahm es bey sonst keinem Geschäfte gerne auf sich, gegen versprochene Belohnung die Sauvegarde auf dem Neudeckerhofe zu machen. Jetzt, seinen Pferden wie alltäglich nachsehend, war er unfehlbar verloren, wenn wir ihn nicht retteten. Um Rettung bath es also eben so dringend, als ängstig. Nehmen sie ihn in die Klausur, und verbergen ihn wie immer, hieß Cölestin den P. Narziß, den Chasseur aber – folgen, und guten Muths seyn. Kaum einige Minuten, und schon sprengten ein Husar und ein Uhlan daher, dieser stracks hinein in den ersten Stall, wo die besagten Pferde standen. Nichts willkommener für ihn, als dieser Fang. Aber damit nicht zufrieden, kehrt er alles unter und über sich, bis er unter dem Bahren tief in Stroh versteckt, den Mantelsack des Franzosen fand. Den als erobertes Eigenthum zu den erbeuteten Pferden legend, ritt er weiter hin und her, und suchte vermuthlich den versteckten Mann selbst, oder doch noch mehr feindliches Gut. Auf gleiches giengen mehrere Scharfschützen aus, die inzwischen daher kamen. Ihnen winkte der Klostermeßner aus dem offenen Fenster ober der Sakristey, hinein zu schauen in den garten. Sie bestiegen die an der mauer desselben gelagerten Mehlfässer, und erblickten nun einige dahin geflüchtete Franzosen. Niemand sollte den Schlüssel zum Garten hergeben, und sich jedermann vom Hause blos leidend verhalten, hatte Cölestin befohlen. Allein die Geflüchteten fanden keinen Ausweg mehr, und ergaben sich ohne Gegenwehr.
Sehr angenehm unterhielten sich indessen der Abt und mehrere Geistliche vor der Klosterpforte mit dem ungarischen Husaren. Er verrieth viele Bildung, sprach fertig und sehr richtig Latein, versicherte selbst die Philosophie studirt zu haben, gab über sein Korps, dessen Bestimmung und Anführer genauen Bescheid, ließ sich ohne abzusteigen, das Glas Wein, und was man ihm sonst darreichte, ganz wohl schmecken, bath aber insbesondere um Lardum – Speck, auf die Reise. Bis man diesen herbeybrachte, das fürchterlichste Lärmen oben im Bauhofe. In größter Wuth rannte der schäumende Uhlan auf und ab, drohte Knechte und Mägde mit seiner Lanze zu durchbohren, und nieder zu reiten, hätte unfehlbar der ersten einen durchstochen, wenn er nicht schnell genug das Stadelthor hinter sich zugeschlagen hätte, schnell genug auf den Heuboden entwischt, und so seiner Wuth entgangen wäre. Selbst gegen die Geistlichen, die nach der Ursache seines Zorns fragten, und ihn besänftigen wollten, stieß er, so viel es sein schlechtes Deutsch zuließ, die gräulichsten Schimpf- und Scheltworte aus; selbst der wackere Husar, den man um Vermittelung bath, vermochte nichts auf ihn, und ohne einen Todschlag wäre sicher nicht Ruhe geworden, hätte man nicht dem Rasenden, – den eroberten Mantelsack wieder auf den Platz gebracht. Diesen hatten nämlich unser Kutscher und ein Knecht, als der Uhlan sich einige Minuten entfernte, höchst frech und unvorsichtig auf die Seite gethan, wahrscheinlicher, um den Raub für sich zu behalten, als ihn dem beraubten Franzosen wieder heimzustellen. Wenigstens brachte es P. Großkellerer nur mit Bedrohung des unausbleiblichen Dienstverlurstes dahin, das der entfremdete Gegenstand nochmal zum Vorschein kam. Jetzt, wie umgewandelt in ein Lamm, fühlte sich überaus selig der vorhin so wilde Kriegsmann; nicht oft genug konnten wir ihm die Hände reichen, und wie er die drückte und küßte; und wie oft er sein brav geistlich Herr, sogar unter Thränen wiederholte; wie herzlich er für die ihm angebothene Labung dankte; wie gerührt er endlich mit seinem Kameraden von uns schied, ist unmöglich zu beschreiben.
Und nun unser Chasseur – wie schlägt diesem das Herz, anfänglich in einer verschlossenen Zelle, nachher – zu alleroberst im Thurme? – Fast ohne Mühe steigt man dahin durch ein leicht zu öffnendes Bodenbrett, das sich eben so leicht wieder schließt, und jedem Nachforscher den Zutritt versperrt, ja einen solchen gar nicht vermuthen läßt. Von da herab – der freieste Mann in seiner Gefangenschaft – sah er ungehindert zu der Flucht, der Verwundung oder Tödtung, der Ausplünderung und Abführung seiner Kameraden und ihrer Habschaften, wie seiner eigenen; sah zu der schauerlichen Szene im Bauhofe, und mußte bay dem für ihn so schmerzlichen Anblicke alles dessen noch froh seyn, diesen so merkwürdigen Tag ganz gut verpflegt in unserm Thurme, die eingetrettene Nacht auf einem bequemen Lager in unserer Registratur, den folgenden Tag schon wieder außer aller gefahr in vollster Freyheit durchleben zu können. Sein Dankgefühl gegen den Abt, und uns fand er kaum Worte genug auszudrücken; nicht nur den wenigen, die auf ähnliche Art in den Häusern, hinter Holzstössen, oder wo immer versteckt davon, und nun wieder hervor kamen, sondern auch jedem Franzosen, jedem Korps, besonders seinem eigenen Regimente, mit dem er späterhin nochmal hieher kam, rühmte er mit beredtestem Eifer unsere Liebe gegen ihn, und wies stets hin auf die Thurmspitze, worunter er so sicher saß, und so vieles sah.
(…)
Folgen des Mierischen Ueberfalls. Ein Waffenstillstand, begleitet von ungeheueren Einquartierungs- Contributions- und Requisitionslasten.
(…)
Miers Abzug hatte die größte Leere zurückgelassen; diese wurde aber, wie voraus zu sehen war, nur zu bald wieder ausgefüllt. Schon um 8 Uhr des andern Morgens, (der Tags zuvor aus Vorsicht entfernte Preussische Adler erhielt nun sogleich wieder seine Stelle ober der Pforte) rückten von Neuburg her 30 Chasseurs ein, ihnen folgten gegen Abend bey 400 andere mit einigen Kompagnien Infanterie.
(…)”
______________________________________________________________________________________________________________________________________
siehe auch:
wikisource.org
Adam von Mier