02.04.2018
1003 UTA Architekten und Stadtplaner, Stuttgart (DE) mit
Studio.Urbane Strategien, Stuttgart (DE) und
Treibhaus Landschaftsarchitektur, Berlin/Hamburg (DE)
Für den Wettbewerbsbeitrag von UTA Architekten und Stadtplaner, Studio.Urbane Strategien und Treibhaus Landschaftsarchitektur vergab das Preisgericht vom 23.11.2017 den 2. Preis.
Der Wettbewerbsbeitrag
zu “Wohnen in Donauwörth | Das neue Alfred-Delp-Quartier”:
(Zusammenstellung aus original Text, Plänen und Illustationen; freundlicherweise zur Verfügung gestellt von UTA Architekten)
Das gemeinschaftlich entwickelte Alfred-Delp-Quartier.
Das neue Alfred-Delp-Quartier vervollständigt programmatisch wie räumlich die Eigenständigkeit des Stadtteils und verknüpft das Alltagsleben in den drei Quartieren der Parkstadt mit der geschichtsträchtigen Altstadt Donauwörths über ein Mobilitäts- und Freiraumband mit seinen neu gestalteten Parkterrassen, dem Sternschanzenpark, Kalvarienberg und der Promenade.
Das Alfred-Delp-Quartier verbindet auf vielen Ebenen
Die städtebauliche Konzeption der Parkstadt und des ehemaligen Kasernenareals folgt dem Leitbild einer „organischen Stadtbaukunst“ der Moderne. Der ehemalige Bürgermeister Andreas Mayr, nach dem auch die zentrale Straße in der Parkstadt benannt ist, zeigte sich von Hans Bernhard Reichows Projekt der Siedlung Hohnerkamp inspiriert und entwickelte mit Friedhelm Amslinger die städtebauliche Grundlage für die Parkstadt auf dem Schellenberg. Obwohl im Plan die Parkstadt als klar lesbare städtebauliche Einheit lesbar erscheint, erschwert die starke Topographie des Bergrückens allerdings die Alltagsleben. Trotzdem bilden die typlogische Mischung von Einfamilien-, Reihenhäusern und Geschosswohnungsbauten wie auch die Vergabe der Grundstücke in Erbpacht interessante Anknüpfungspunkte für die Entwicklung des neuen Quartiers auf dem ehemaligen Kasernengelände. Die gegen Ende des letzten Jahrhunderts den Südhang des Schellenberges besetzende Dr. Löffellad-Siedlung hingegen nutzt zwar ihre Lagegunst, bleibt aber eine auf das Private hin ausgerichtete Struktur mit Einfamilien- und Reihenhäusern ohne öffentliche Freiraumqualitäten.
Die Transformation des Kasernengeländes in das neue Alfred-Delp-Quartier gibt der Stadtgesellschaft Donauwörths nun die Möglichkeit, Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen der Stadt räumlich, sozial und ökologisch wieder neu zu denken und auf vielfältige Weise zu implementieren.
Dabei begreift der Entwurf die augenblicklich von vielen BewohnerInnen der Parkstadt als „Panzerstraße“ bezeichnete Sternschanzen- und im weiteren Verlauf Park- sowie Perchtoldsdorfer Straße als verkehrliches Rückgrat der Parkstadt auf und reduziert den Straßenquerschnitt über die Neugestaltung einer
breiten Radstraße. Dieser neuen „Parkstädter“ Straße sind zwei in west-östlicher Richtung verlaufende zentrale Bereiche angebunden:
das Zentrum der Parkstadt mit Supermarkt, Einzelhandel, Haus der Begegnung, Schule und Kirchen und
die Begegnungszone des Alfred-Delp-Quartiers zwischen Freibad und Lichtung mit seinen Mobilitätsbausteinen als Bindeglied zwischen Altstadt und Parkstadt
Das neue Quartier soll dabei auf mehreren Ebenen zu einem räumlichen qualitätsvollen Bindeglied in der Stadt werden. Es dient der gesamten Stadt als Freizeit- und Naherholungsraum, kann in den Parkterrassen auch übergeordnete soziale Infrastrukturen aufnehmen und schafft über die aus dem bestehenden Baum- und
Gehölzbestand herausentwickelten Felder und der Begegnungszone vielfältig aneignungsfähige Schwellenräume, die zur gemeinschaftlichen Nutzung einladen. Baumbestand, Topographie, Begegnungszone und die Programmierung der Felder generieren dabei durchaus komplexe bauliche, visuelle und soziale Dichten.
Der öffentliche Raum vernetzt die Stadt
Die Qualität des öffentlichen Raums spiegelt die Qualität des öffentlichen Lebens einer Stadt bzw. eines Quartiers wider. Während in der Altstadt der Gestaltung großes Augenmerk gewidmet wird, besteht der öffentliche Raum in den Wohngebieten aus einem für den Autoverkehr optimierten und determinierten Straßenraum.
Das neue Alfred-Delp-Quartier entwickelt seine räumliche Logik und gestalterische Angemessenheit aus der bestehenden Topographie und den raumbildenden Qualitäten des Baum- und Heckenbestands, die sich aus der naturnahen Anlage des Kasernenareal entwickelt haben und in Felder übersetzt werden. Gemeinsam mit den
Parkterrassen, der Lichtung und der Begegnungszone – dem zentralen der Erschließung des Quartiers dienendem Öffentlichen Raum – wird eine neue Qualität des öffentlichen Raums auf dem Schellenberg implementiert.
Die stadträumliche Strategie will die qualitativen öffentlichen Freiräume miteinander verbinden und dem Straßennetz ein attraktives qualifiziertes Netz an Grünräumen entgegensetzen. Die Topographie mit einer Höhendifferenz von 70m zwischen Altstadt und den beiden Stadtteilen auf dem Berg lässt den motorisierten Individualverkehr augenscheinlich als den alleinigen Verkehrsträger zu. Die programmatische Aufladung des neuen Alfred-Delp-Quartiers und eine sinnvolle Adaptierung des Netzes durch die Einführung des breiten Radwegs an der Sternschanzenstraße geben dem Fahrrad die Chance, der Verkehrsträger in Donauwörth zu werden. Die Ergänzung des bestehenden steilen Fußweges zwischen Promenade und Freibad mit einem gut benutzbaren Radweg und einer Radbrücke sowie einer möglichen Pendelbahn schafft ein großzügiges Angebot für alle ParkstädterInnen, dass zu einer Änderung des alltäglichen Mobilitätsverhaltens in der Stadt einladen soll. Die Attraktivität einer vom
Automobil unabhängigen Mobilität trotz starker Topographie wird in eine Sequenz öffentlicher Freiräume von Promenade über Kalvarienberg und Sternschanzenpark zu den neuen Parkterrassen integriert und diese bilden somit die verbindende grüne Sprosse zwischen Kernstadt und den Quartieren auf dem Schellenberg. Außerdem
bleibt die Parkstadt, die Dr. Löffellad-Siedlung und das neue Alfred-Delp-Quartier mit zwei Buslinien sehr gut erreichbar. Die Linie 3 kann ohne die augenblickliche Schleife direkt nach Zirgesheim anbinden. Die Linie 1 verbindet die Waldstadt mit Parkstadt, der Berger Vorstadt, dem Zentrum, Bahnhof, Sportpark und Krankenhaus.
Um die räumlichen Qualitäten an der Sternschanze hervorzuheben, schlagen wir eine Verlegung der Sternschanzenstraße in direkter Verlängerung der Schellenbergstraße an der ehemaligen Grenze des Kasernenareals vor. Diese Maßnahme führt auch zu einer klaren Verkehrsführung und der Wahrnehmung dieses Straßenzuges als Rückgrat der Parkstadt und würde ergänzend durch eine Ausbildung der Auffahrt von der Jurastraße zur Bundesstraße 2 als Vollknoten zu einer Reduktion des Verkehrsaufkommens in der
Sternschanzenstraße führen.
Um einen Wandel im Mobilitätsverhalten zu erreichen, sind allerdings weitere Maßnahmen nötig, die den BewohnerInnen den Wechsel auf den Radsattel erleichtern. Hierfür benötigen die beiden Stadtteile eine ausreichende soziale wie auch Einzelhandelsinfrastruktur vor Ort, um die Länge der Bedarfswege zu reduzieren.
Die Ausbildung des Zentrums in der Parkstadt an der Andreas-Mayr-Straße folgt dieser Idee. Das neue Alfred-Delp-Quartier bietet nun die Möglichkeit, in der Begegnungszone und im Übergang zu den Parkterrassen fehlendes soziales Programm für die Parkstadt, die Gesamtstadt, den Landkreis unterzubringen und somit eine zweite Zentralität auf dem Schellenberg auszubilden.
Die Stadtteilgründung begleiten und den Stadtteil kooperativ entwickeln
Das neue Quartier gemeinsam mit der Bevölkerung zu entwickeln stärkt nicht nur die Identifikation der künftigen BewohnerInnen mit ihrem Wohnumfeld, es steigert generell die Qualität des Planungs- und Umsetzungsprozesses.
Der temporäre IDEA STORE in der ehemaligen Pforte dient als Informations- und Partizipationsstelle für den Transformationsprozess, bevor diese dann in die Alfred-Delp-Gedenkstätte umgewidmet wird.
Das neue Alfred-Delp-Quartier entwickelt sich dabei Schritt für Schritt, Feld für Feld. Ein begleitendes Quartiersmanagement, wie es die „soziale Stadt“ Donauwörth bereits kennt, kümmert sich um die Interessen der Einzelnen und der Gemeinschaften, evaluiert die Projekte auf den Feldern und lernt dabei für die neuen Entwicklungen im Quartier.
Ein Stadtklima des Empowerments
Das Potenzial einer aktiven BürgerInnengesellschaft benötigt ein Stadtklima, das Entfaltung ermöglicht.
Gestalterische und organisatorische Freiräume und der Mut zu Experimenten stärkt das Engagement der Bevölkerung und fördert zusätzliche Kreativität. Im Alfred-Delp-Quartier können Möglichkeitsräume in dem ausreichenden Maße geschaffen werden, die sich die BewohnerInnen individuell oder als Gruppen aneignen und organisieren können. Städtebau nicht von der Stange, sondern ein Lebensraum, der von den künftigen NutzerInnen mitentwickelt wird, soll den Mindeststandard darstellen. Das Alfred-Delp-Quartier bietet Felder für Baugruppen und individuelle Stadt- oder Einfamilienhäuser. Nachbarschaften werden durch Gemeinschaftsgärten und
gemeinschaftlich genutzte Zonen in den einzelnen Feldern gestärkt. Diese gegenseitige Akzeptanz an Individualität und Teilhabe an gemeinschaftlichen Räumen und Aktionen ermöglicht den Anspruch an eine soziale Inklusion.
Die Baufelder werden über einen Konzeptvorschlag an mögliche Bauwerber vergeben. Dabei soll einer Akteursvielfalt für eine Entwicklung des Quartiers Priorität eingeräumt werden, um eine soziale Durchmischung des Alfred-Delp-Quartiers zu gewährleisten. Somit können mannigfaltige Akteurskonstellationen auf den einzelnen Feldern tätig werden, um eine kleinräumliche bauliche wie soziale Mischung zu ermöglichen. Die Vielfalt möglicher Typologien ermöglicht im Sinne eines Gender-Mainstreaming somit Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten.
Die Konzeptvergabe der einzelnen Baufelder ermöglicht somit sozialräumliche Konzepte der Inklusion, die unterschiedliche Alters- wie auch Einkommensgruppen spezifische Wohnformen ermöglicht. Da Konzept vor Kaufpreis gestellt wird, um dem Alfred-Delp-Quartier eine absolute Eigenständigkeit in der Region zuzusichern,
wird das Wohnen im Quartier denn auch leistbar.
Mobilität für Alle sorgt für mehr Lebensqualität
Das angebotene Mobilitätspaket mit der Priorisierung des öffentlichen Nahverkehrs und des nicht motorisierten Individualverkehrs macht Verkehrslärmprognosen obsolet. Die gerade in Deutschland geführte Debatte aufgrund des Dieselskandals zeigt dies offensichtlich. Unser individualisiertes Mobilitätsverhalten kostet einen sehr hohen
Energieverbrauch, den wir trotz hohen Dämmstandards unserer Gebäude nicht kompensieren können. Nicht nur im Sinne der Inklusion, gerade auch im Diskurs um eine nachhaltige Stadtentwicklung ist eine gemeinsame gesellschaftliche Anstrengung notwendig. Das neue Alfred-Delp-Quartier ermöglicht aufgrund der Mobility-Points,
in denen Sammelgaragen für das Quartier angeboten werden, den Verzicht auf die kostenintensive Errichtung von Tiefgaragen. Selbst bei klassischer Anwendung einer Stellplatzablöse in Höhe von 2.000€ nach der Gemeindeordnung eröffnet sich ein ökonomisches nachhaltiges Kapital, das Alternativen zu unserem bisherigen
Mobilitätsverhalten aufzeigen kann. Die angebotenen Stellplätze bei Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern können zu Wohnraumerweiterungen, Einliegerwohnungen oder Gewerbeeinheiten umgewidmet und –gebaut werden.
Das neue Quartier – energetisch effektiv und erneuerbar
Jedes Feld der städtebaulichen Entwicklung muss zur Vergabe ein integrales Energiekonzept in Form eines smartgrids präsentieren und räumlich wie auch technisch nachweisen. Smartgrids in den einzelnen Baufeldern verhelfen zum energetsichen Ausgleich.
Die Begegnungszone wird zum Ereignisraum
Der öffentliche Raum als Ort des Austausches, der Kommunikation und der Möglichkeiten wird im neuen Alfred-Delp-Quartier wieder entdeckt. Er dient als programmatisches urbanes Feld, in dem Ereignisse temporär wie dauerhaft Aufmerksamkeit erregen und sich aus dem Kontext des Zusammenlebens im Quartier generieren.
Kuratierte Ereignisse dienen als Startsignal für den Entwicklungsprozess des Gebietes aber auch als Abschluss von Planungsphasen des Parks und der Felder. So können temporäre Aktionen und Interventionen im Freiraum wie Jugendprojekte, SeniorInnengärtnern, Prototypen basteln künden von einer anderen Art gesellschaftlicher Teilnahme.
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Einzelbewertung des Preisgerichtes vom 23.11.2017
aus der Ausstellungsinformation:
Wohnen in Donauwörth / Das neue Alfred-Delp-Quartier; Einzelbewertungen, S. 7f.
“…
Einzelbewertung
1003 / 2. Preis
Die Arbeit 1003 ist nicht auf den ersten Blick durchschaubar – die Verfasser sprechen von der organischen Stadtbaukunst der Moderne – auch wenn das Preisgericht den theoretischen Überbau nicht bis ins letzte Detail durchschaut, bleibt ein extrem durchmischtes Quartier, in welchem sich auf halbprivaten Schollen unterschiedlichste Typologien mischen.
Das Quartier ist über ein netzartiges Erschließungssystem, mit einer zentralen Ringstraße, erschlossen. Es entsteht ein heterogenes, nutzungsoffenes Netz an Wegen mit einer Vielzahl an Sonderfunktionen an den Knotenpunkten. Am südlichen Hauptzugang entsteht ein Cluster an Gebäuden mit einem Mobilityhub und einer Markthalle. Ein ähnliches Gebäude steht am nördlichen Zugang. Es ist nicht zu erkennen, ob in diesen großen Hubs sprich Parkhäusern alle PKWS der Geschosswohnungen untergebracht werden sollen – dies würde in jedem Falle zu langen Fuß-Wegen führen und ist so nicht umsetzbar.
(GD: Ein derartiges Parkkonzept ist vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack, wäre aber durchaus umsetzbar. Dies zeigt das Beispiel Französisches Viertel in Tübingen; dort führte ein ähnliches Konzept nach meinem Empfinden zu einem Mehr an Lebensqualität)
Im Inneren des Netzwerks bleiben vier, sogenannte ‘Blumenfelder’ frei, die die Verfasser sich zur späteren Nachverdichtung vorhalten wollen – eine Idee, die viel Potential birgt, aber kontrovers diskutiert wird, weil gerade die Raum-Offenheit an diesen Stellen auch Qualitäten hat.
Die Arbeit bietet auf vielen Ebenen das Potential auf unterschiedlichste Vermarktungsbedürfnisse zu reagieren. Gleichwohl sieht das Preisgericht die Gefahr, dass durch die implizierte Regelfreiheit auch die Gestaltungsklarheit/Raumqualität auf der Strecke bleiben könnte – in jedem Falle wären die Regeln für die Architekturentwicklung im Weiteren exakt zu definieren – Nordgärten – hohe Dichten – große Nähe von Gebäuden mit Verschattung etc.
Insbesondere im südlichen Abschluss, im Bereich der Promenadenverlängerung schlagen die Verfasser große Gebäude mit Sondernutzungen vor, die auch noch von Süden erschlossen sind – dies kann sich das Preisgericht an dieser Stelle nicht vorstellen – der Park wird hier massiv gestört.
Der Bestandsbaumbestand wird gewürdigt, die bestehenden Terrassierungen sind aufgegriffen.
Zur Sternschanzenstraße zeigen die Verfasser EFH mit Gärten – das ist auch aus Schallschutzgründen schwer vorstellbar – aber auch städtebaulich ist dies eher kritisch zu sehen. Die Verlegung der Sternschanzenstraße wird gewürdigt.
…”