Aus: Der Heimatfreund Nr. 20 (1924); zwanglos erscheinende Blätter zum „Donauwörther Anzeigeblatt“ und zur „Rieser Volkszeitung“

 

Vom Mangoldfelsen.
von Bibliothekar J. Traber.

Am 3. Dezember dieses Jahres waren hundert Jahre verflossen, seit am Mangoldstein die große eiserne Gedenktafel angebracht wurde. Der auf dem Gebiete der heimischen Geschichte sehr tätige damalige Stadtschreiber Leonhard Kremer hatte den Plan gefaßt, an der denkwürdigen Stätte der ehemaligen Burg Mangoldstein ein Monument zu errichten. Dieser Plan fand unter eifriger Unterstützung durch den Bürgermeister Franz Böhm die Zustimmung des Stadtmagistrats. In einem Berichte des letztern an das Gemeindebevollmächtigten-Kollegium, verfaßt von dem Stadtschreiber Kremer und datiert vom 5. Juli 1824 heißt es:

„Mehrere Freunde und edle Verehrer des Altertums und der Geschichte haben schon länger den würdigen Wunsch laut werden lassen, daß an der nordöstlichen Seite des Felsens, an dem der ehemalige Pulverturm und die Stadtmauer nun ganz aus dem Grunde herausgerissen sind, ein Monument durch freiwillige Beiträge mittels Subscription errichtet werden möchte, um diejenige Stelle zu bezeichnen , wo einst die stolze Burg Mangoldstein stand, und der man allein den Ursprung der hiesigen Stadt, ihren Flor und ihren gegenwärtigen Bestand zu verdanken hat.

Dieses Denkmal soll nach dem Antrage mehrerer gelehrter und sachverständiger Männer in einer passenden Inschrift von Gußeisen mit reiner Vergoldung bestehen, die unzerstörbar in den Felsen eingesenkt wird; auf der Höhe des Felsens aber soll eine Pyramide im zierlichen gothischen Style mit den Statuen der Mangolde, als Stifter des Klosters und des unnennbaren Schatzes des heiligen Kreuzes, geschmückt den Platz und die Gegend verherrlichen.

Die K. Regierung deren höchste Genehmigung bei solchen Unternehmungen zuerst eingeholt werden muß, hat dieses Vorhaben nicht nur allergnädigst genehmigt, sondern auch dem Stadtschreiber Kremer, der sich der Ausführung des Werkes und der Sammlung der Beiträge unterzogen hat, ein besonderes Wohlgefallen zu erkennen gegeben, und neben selbst geleisteten, frei angebothenen Beiträgen von Seite Sr. Excellenz des K. Kämmerers, Regierungspräsidenten und Generalkommissars Titl. Freiherrn von Gravenreuth, des K. Regierungs-Direktors v. Raiser, Sr. Excellenz des Hochwürdigsten Erzbischofs v. Fraunberg und mehrerer anderer hoher Personen die Zusicherung von sich gegeben, daß Donauwörth hiedurch die vorzügliche Aufmerksamkeit und eine dankbare Anerkennung der allerhöchster Behörden und aller Fremden sich erwerben werde.

Da zu erwarten steht, daß die Kosten des Monumentes und der Inseription in der Eisenplatte bei einer in diesem Falle wohl verdienten Teilnahme und bei möglichster Schonung der Ausgaben sich immerhion decken mögen, so hängt es nun auch davon ab, daß auch der Bauplatz selbst, nämlich ein Flächenraum von 26 Quadratschuhen, mit einer zugänglichen Stiege oben auf dem Felsen hergestellt werde, um welches man die Kommune, unter deren früherer Verwaltung der Abbruch und die gänzliche Demolierung aller Überreste zugestanden wurde, angegangen hat. Nach einem vorläufigen Anschlage mögen sich diese Kosten gegen 200 Gulden belaufen, welchen Accord der Maurermeister Wölfle einzugehen erbiethig wäre, womit man aber der erforderlichen Dauerhaftigkeit wegen nicht einverstanden ist, sondern unter eigener strenger Aufsicht den Bau zu leiten gedenkt und dabei die möglichste Sparsamkeit eintreten lassen wird.

Die Gemeindebevollmächtigten werden nun hievon in Kenntnis gesetzt und zur Abgabe ihrer Einstimmung oder Verwerfung eingeladen, wobei noch zu bemerken ist, daß auch über die Beiträge zu dem Monumente öffentlich Rechnung mit aller Redlichkeit abgelegt und die Namen aller Subscribenten und edlen Stifter, zur dankbaren Erinnerung als bleibende Belege der Geschichte, besonders in Stein gegraben und auf diese Weise gleichsam verewigt wird“.

Auf diesen Bericht entgegnete das Gemeindebevollmächtigten-Kollegium sehr kühl:
Man verkenne zwar nicht die schöne Absicht des Titl. Herrn Bürgermeisters und (des) Stadtschreibers in Errichtung besagten Monumentes und man wolle nicht dagegen sein. Dabei wurde aber der Wunsch geäußert, „daß nun auch die Errichtung eines schon so oft in Antrag gekommenen Krankenhauses einmal in Vollzug gebracht werden möchte“. Weiterhin bemerkte das Kollegium, es könne nicht zustimmen, daß für projektierte Denkmal die Kommunalkasse in Anspruch genommen werde, weil selbe nöthigere Auslagen zu bestreiten“ habe. Etwas mehr Begeisterung für die Sache hatte nur der Eisenhändler Matthias Sallinger, der der Antwort des Kollegiums unter Beglaubigung des Vorstandes eigenhändig beifüghte: „Ich theile meine Meynung zur Errichtung eines Monumentes mit dem edlen Sinne des Magistrates und bezweifle nicht, daß man auch mit den Kosten so sparsam wie möglich zu Werke gehe“.

Unter der Bürgerschaft der Stadt war überhaupt das Interesse für die Sache nicht groß, denn nur etwa 12 Bürger zeichneten Beiträge für das Denkmal. Darunter war mit 50 fl. (= Gulden) für sich und seine fünf Söhne der Krebswirt und frühere Bürgermeister Andreas Dietrich. Bürgermeister Böhm zeichnete 5 fl. 24 Kreuzer, ebensoviel der Landtagsabgeordnete und Wirt zum goldenen Löwen Peter Schuster[1] und der Wachszieher Johann Sallinger. Der Vorstand des Gemeindebevollmächtigten-Kollegiums, Färbermeister Matthias Weilhammer, hatte zwar 5 fl. Gezeichnet, sie jedoch nachher nicht bezahlt. Die übrigen 8 Bürger bezahlten meist je 2 fl. 24 Kreuzer. Die weiteren Beiträge stammten größtenteils von Beamten und Geistlichen, sowie einigen sonstigen auswärts lebenden Herren, und zwar bezahlte Abt Cölestin Königsdorfer von Heilig-Kreuz 22 fl.; Apotheker Jakob Sallinger in Augsburg, Landrichter Sepp, Medizinalrat Heer und der Bischof von Augsburg, Baron von Fraunberg, ernannter Erzbischof von Bamberg, leistete je 11 fl. Der Regierungspräsident Freiherr von Gravenreuth und die Frau Gräfin von Kielmannsegg-Schönberg spendeten je 10 fl. 48 Kreuzer. 5 fl. 24 Kr. zeichneten der kgl. Advokat Bertl, der Regierungs-Direktor v. Raiser in Augsburg, Stadtpfarrer v. Prugger und aus München ein Joseph Hierl. Im ganzen kamen für das Denkmal 205 fl. 45 Kr. zusammen. Mit diesem Betrage konnte man auf dem Felsen keine „Pyramide in zierlichem gothischen Stile mit den Statuen der Mangolde“ errichten, obwohl man die letztern schließlich in gebranntem Ton herstellen wollte, wozu bereits ein Künstler aus Schrobenhausen, namens Sebastian Kamerloher, gewonnen war. Mit einer derartigen Ausführung der Statuen war auch der nachmals berühmte Architekt August v. Voit, der die Zeichnung zum Denkmal geliefert hatte, nicht einverstanden, indem er meinte, daß schon die Masse sich nicht dazu eigne „und wenn erst die Zeichnung verfehlt sei, so werden Wachtmeister aus dem 30jährigen Krieg daraus“.

Da die gezeichnete Beiträge zur geplanten Aufstellung des geplanten Denkmals nicht hinreichten, so beschränkte man sich auf die Herstellung der eisernen Inschriftplatte, die an der Nordseite des Felsens angebracht werden sollte. Die Ausführung derselben wurde dem Eisenwerk von L. Gemeiner in Lauffach bei Aschaffenburg übertragen. Verlangt war, daß die Platte ungefähr die Größe „von 6 baierischen Schuh in der Höhe und 5 Schuh in der Breite“ haben solle. Auch sollte die Schrift auf eine Entfernung von 100 Schuh gelesen werden können. Damals war nämlich noch ein breiter Graben um den Felsen. Korrektheit, Kraft und Deutlichkeit der Schrift und Reinheit des Gusses wurde vom Stadtschreiber Kremer bei der Bestellung der Platte besonders betont. Die für letztere bestimmte Inschrift lautet:

CASTRUM WOERTH
Circa: an. CM. Ab Hupaldo I. comite de Dillingen
huic petrae impositum, a filio Mangoldo Mangold-
sten vocatum, ab Hupaldo II. et IV. adiis Mangoldis
usque ad an. MCXCI inhabitatum, an. MXLIX Caesaris
Henrici III. et Papae Leonis IX. simul hospitio nobilitatum,
an. MCCLVI sanguine Mariae Duccisae de Brabant a
Ludovico severo conjuge tinctum, an. MCCC ab
inimicis vastatum, an. MCCCVIII jussu Imperatoris
Alberti ab ipsis civibus destructum, tandem an.
MDCCCXVIII dirutis moenibus
heu funditus eversum.
Plange Viator!
Posthumi cives posuere an. MDCCCXXIV.

In deutscher Uebersetzung:

„Die Burg zu Wörth
wurde um das Jahr 900 von Hupald I., Graf zu Dillingen; auf diesem Felsen erbaut, von seinem Sohne Mangold Mangoldstein genannt, von Hupald II. und von anderen Mangolden bis zum Jahr 1191 bewohnt, im Jahre 1049 durch gleichzeitigen Besuch Kaiser Heinrichs und Papst Leo IX. ausgezeichnet, im Jahre 1256 vom Blute der Herzogin Maria von Brabant durch ihren Gemahl Ludwig den Strengen benetzt, im Jahre 1300 von den Feinden verwüstet, im Jahre 1308 auf Befehl des Kaisers Albrecht von den Bürgern selbst abgetragen, letztlich im Jahre 1818 bei dem Abbruch der Stadtmauer leider bis auf den Grund zerstört.
Traure, o Wanderer!

Die nachgeborenen Bürger errichteten diese Gedenktafel im Jahre 1824.“

Die Inschrift enthält in geschichtlicher Hinsicht mehrere Unrichtigkeiten, deren Richtigstellung an dieser Stelle jedoch zu weit führen würde.

Die Herstellung der Tafel, deren Gewicht 738 Pfund beträgt, kostete 150 Gulden. Die Ausgaben für die Zunft beliefen sich auf 20 Gulden 21 Kreuzer, Die von dem Maler und Zeichenlehrer Bernhard Bauer ausgeführte Vergoldung erforderte 15 Gulden. Alles in allem beliefen sich die Gesamtausgaben auf 225 Gulden 52 Kreuzer. Da die Einnahmen nur 205 Gulden 45 Kreuzer betragen hatten, so verblieb ein Passivrest von 20 Gulden 7 Kreuzer, den vermutlich der Stadtschreiber zu decken hatte. Am 3. Dezember 1824 wurde die Tafel in die nördliche Wand des Felsens eingelassen. In einer hinter der Tafel durch den Steinmetzmeister Joseph May gemeißelten Höhlung hinterlegte Stadtschreiber Kremer folgende Dokumente:

1.                  Veranlassung zur Errichtung des Denkmals.
2.                  Bürgerliste nach fortlaufenden Hausnummern
3.-5.              Topographischer Plan der Stadt von 1606 und von 1817, sowie eine Ansicht der Stadt von der Südseite.
6.-8.              Mitglieds-Verzeichnis der geistlichen und weltlichen Behörden, des Stadtmagistrats und des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten.
9.                    Katalog der Aebte von Heilig-Kreuz.
10.                 Katalog der Stadtpfarrer.
11.                 Geschichte des Klosters zum Heil. Kreuz von Cölestin Königsdorfer Band 1.
12.                 Alle vorhandenen städtischen Sigel in Abdrücken von rotem Wachs.
13.                 Einführung des Bürgermilitärs im Jahre 1807.
14. u. 15.      Beschreibung und Plan der Schlacht am Schellenberg.
16.                 Uebersicht der hauptsächlichsten Stiftungen in Donauwörth.
17.                 Plan der 1823 errichteten Sparkasse.
18.                 Beschreibung der Feierlichkeiten zum Regierungsjubiläum des Königs Maximilian I. Joseph am   16. Februar 1824.
19.                 Viktualienpreise von 1824 und aus den teuren Jahren 1816/17.
20.                 Aeltere und neuere Münzen.

Einige Jahre später errichtete man dann auf dem Felsen anstatt des geplanten Monumentes ein über 4 m hohes eisernes Kreuz, das vordem über dem Portale des Klosters Kaisheim stand und von einigen Wohltätern erworben wurde. Der Stadtpfarrer Karl von Prugger bot es hierauf dem Stadtmagistrat zum Geschenke an. Es wurde fein vergoldet und auf Anordnung des Stadtpfarrers in Gegenwart der gesamten Geistlichkeit der Stadt, des Magistrats und einer großen Menge Voks durch den letzten Abt des Klosters Heilig-Kreuz, Cölestin Königsdorfer, in der Stadtpfarrkirche geweiht und am 24. August 1827, dem Vorabend des Geburts- und Namenfestes des Königs Ludwig I. auf dem Mangoldstein uin das dazu hergestellte Postament, das die Worte „Sit in hac cruce salns“ (Es sei in diesem Kreuze Heil) enthält, eingesetzt. Die Kosten für die Herstellung des Postaments im Betrage von 26 fl. 36 Kr. und für die Vergoldung des Kreuzes im Betrage von 16 fl. 24 Kr. hatte die Stadt übernommen.

Da die lateinische Inschrift auf der eisernen Tafel für alle, die der Kenntnis des Lateins entbehren, ein Rätsel war, so wurde auf Anregung des rechtskundigen Bürgermeisters Franz Foerg im Jahr 1856 von dem Stadtmagistrate beschlossen, eine Gedenktafel aus Stein mit deutscher Inschrift „an dem Felsen der Mangoldsburg“ anbringen zu lassen. Die Inschrift lautet:

„Auf diesem Felsen erhob sich einst
die Burg zu Wörth
um das Jahr 900 erbaut, nachhin
Mangoldstein
genannt, anno 1049 von Kaiser Heinrich III.
und Papst Leo IX. gleichzeitig besucht,
anno 1256 durch die Enthauptung der Herzogin
Maria von Brabant in Trauer gehüllt,
anno 1300 von den Feinden verwüstet,
anno 1308 abgetragen, anno 1818 durch den
Abbruch der Stadtmauer auch in ihren Ruinen zerstört.“

Die Tafel hatte der Steinmetz Blum in München, dem auch die Ausführung der übrigen Gedenktafeln in der Stadt übertragen war, gefertigt, und zwar um den Preis von 20 Gulden. Bei der eisernen Tafel wurde im Jahre 1907 anläßlich des Deutschmeisterfestes die Vergoldung der Inschrift durch den kürzlich verstorbenen Malermeister Joseph Immler erneuert.

[1] Von ihm hat die Schustergasse, die vordem Regelgasse hieß den Namen. Stadtschreiber Kremer sagt von ihm im „Grund- und Lagerbuch der Stadt Donauwörth“ bei Haus-Nr. 388, wo er das Todesdatum Schusters (7. August 1830) verzeichnet: „Der wackerste und brävste Mann, von Jedermann innig betrauert“.