In dem 1804 erschienen Band “Gedichte” von Johann Baptist Schön sind u.a. auch die Vorgänge um die Ermordung der Maria von Brabant (1226 – 1256) durch ihren Ehemann Ludwig den Strengen (1229 – 1294) auf der Mangoldburg in Donauwörth Thema:
S. 147ff.
Nächtliche Betrachtungen vor dem Felse der eh’maligen Burg zu Donauwörth[1]
Hier also, hier stand jene Schreckensfeste,
Auf der das Blut verkannter Unschuld floß?
Doch wie? Nicht einmahl mehr die kleinsten Reste
Von weiland diesem Trauerschloß?
Wo nun die stolzen, trotzenden Gebäude,
Wo ihre grause Herrlichkeit, und Pracht?
Wo nun die Burg zu edler Ritter Freude
Für ein Jahrtausend neu gemacht?
Dahin riß sie der wilde Strom der Zeiten,
Und längst vor ihr selbst‘ die Bewohner all;
Kaum tönt aus städtischen Vergangenheiten
Mehr ihres Namens Widerhall.
Nur dieser Fels (jetzt ein Asyl der Eulen)
Entwich noch der Zerstörung unversehrt,
Vor ihm soll mein beseeltes Auge weilen,
Und thränend preisen seinen Werth.
Sey mit gegrüß’t von deiner steilen Höhe
Du letzter Rest der grauen Vorwelt hier!
Mit heiliger Begeisterung umwehe
Mich du des Alterthumes Zier!
Mit dir war treulich noch zurück‘ geblieben
Der name Burg, und deine kahle Wand
Sagt mit als Kronick (obwohl ungeschrieben)
Daß eh’mahls Ludwigs Schloß hier stand‘.
Blaß schielt der Mond in dieser Todtenstille
Auf dich herab, und dumpf gleich einem Geist‘
Heult dort der Uhu beym Gezirp‘ der Grille,
Die dich aus tiefen Klüftchen preißt.
Mit einem Herr‘ von Riesenlangen Schatten
Steigt schwarz, und traurig, wie ein Leichechor
Von Rittern, die hier einst gehauset hatten,
Die bange Mitternacht empor.
Im schauerlichen Bild‘ altdeutscher Scenen
Stell‘ mir durch Phantasie die gegend dar
O Fels! Und hilf mir das jetzt standhaft wähnen,
Was hier einst vorgefallen war.
Hoch schmetterte aus gothischer Kapelle
Trompetenschall schon in der weiten Luft,
In Andacht schmolz das Volk, und Flammenhelle
Stieg zum Altar‘ der Weihrauchsduft;
Da wand sich sanft die priesterliche Stole
Um Herzog Ludwigs, und Mariens[2] Hand!
Die lang‘ vorher zum eh’lich stillen Wohle
Ihr süßer Einklang eng‘ verband.
Groß war der Pomb an diesem Trauungsfeste,
Das selbst der heit’re Tag‘ zu schmücken schien;
Du sah’st o Fels! Im Kreis‘ der Hochzeitsgäste
Die Liebenden vorüberzieh’n.
Spät‘ hörtest du vom herzoglichen Hofe
S’Gejauchz der Ritter noch beym Humpen Wein;
Wie mancher Page schlich sich durch List der Zofe
In ihres Fräuleins Kämmerlein.
Froh‘ taumelt (mit einem Lorbeerkranze
Von hohem Werth‘ geschmückt) das junge Paar
Nach wonniglich vollbrachtem Fackeltanze[3]
Zum eh’lichen Genußaltar‘.
Unendlich war das Glück der erst Getrauten,
Von deren Lager selbst der Schlummer wich,
In Küssen schwamm ihr Mund, und sie erbauten
Ein Himmelreich von Zukunft sich.
Marie Mein! – wie göttlich schön hienieden
Entzückt das Leben mich, Marie Mein!
Ein Paradies ist mir durch dich beschieden
O Weib! rief Ludwig; – Dein, ja! Dein
Bin ewig, ewig ich, entstieg Marien
Ein Ton, aus dem der Liebe Allmacht sprach,
Noch fand im Wonneguß‘ von Sympatien
Der junge Tag‘ das Brautpaar wach‘.
Schon krönte sie als Muster trauter Ehen
Zwey Jahrelang‘ der schönste Eintrachtsieg,
Da winkte Ludwigs Geist‘ von den Trophäen
Der Minne schnell‘ die Pflicht in Krieg.[4]
Noch kaum vergoldeten die hohen Zinnen
Der Burg sich in dem rothen Morgenstrahl‘;
Rief ein Trompetenstoß im Nu von hinnen
Den Liebestrunkenen Gemahl.
Die Feste hallte schon vom Lärm‘ der Knappen,
Da schnallte Ludwig sich den Harnisch um,
Der Schloßhof wimmelte von Schwert und Wappen,
Mit heißer Gierd‘ nach Heldenruhm
Sprach zu Marien er: leb‘ wohl Geliebte!
(Und rüttelte der Gattinn weiße Hand)
Du also fort? So schluchz’te die Betrübte,
Wer hier mein Trost? – dein Baierland!
(Versetzte er mit stolzem Freudentone)
Will’s Gott! Bald säub’re ich vom Feindeswust‘
Das Reich; dann sey du meine Lorbeerkrone!
Blaß sank sie an des Herzogs Brust.
Fest hielt sie ihn, und weinte; nur Bemühen
Half ihn von ihr auf das gesattelte Ross;
Schnell warf er einen Blick noch auf Marien,
Dann sprengte er hinaus zum Schloß.
Verlassen schlich sie nach der Burg zurücke,
Und sperrte traurig sich auf ihr Gemach,
Dort starrte sie mit nassem Wehmuthsblicke
Lang dem entfernten Gatte nach.
Noch raucht mein Mund von des Geliebten Küssen,
Der freudig Mein durch Priesters Segen ward,
Doch ihn vielleicht jetzt Jahr’lang zu vermissen –
Traun! ächz’te sie, das ist zu hart.
Tag’täglich flog ihr Aug‘ nach jenen Gauen,
Wohin ihr Ludwig zog, und trübte sich,
Der Wälder Grün, den Blumenschmuck der Auen
Vergaß sie bey dem Himmelsstrich‘,
Worunter nun der Abgott ihrer Seele
Den Feind voll Muth, und Jünglingskraft befehd’t,
Sein Name war das Loblied ihrer Kehle,
Sein Wohl der Stoff für ihr Gebeth.
Nichts (außer Ludwig‘) stillte ihr Verlangen,
Nur bey dem Trost‘ der nahen Wiederkehr‘
Da färbte Inkarnat die bleichen Wangen,
Und ihr bethräntes Aug‘ schien hehr.
Um ihrem kranken Herz‘ Trost zu verbreiten,
Floss an den siegenden Gemahl am Rhein
Aus ihrem Kiel‘ ein Brief voll Zärtlichkeiten,
Voll Sehsucht, bald um ihn zu seyn.
An ihren Vetter[5] auch, der bey dem Heere
Des Herzogs focht, schrieb sie zum erstenmahl‘
Ein Freundschaftsbrieflein, das voll Zucht und Ehre
Ihm ihres Gatten Wohl empfahl.
Weil nun der Page, den sie beordert hatte,
Leicht irren könnt‘, signirte sie den Brief
Des Grafen schwarz, roth jenen an den Gatte,
Daß ja! kein Mißbrauch unterlief‘.
Schon kam in’s Lager, wo der Herzog wohnte,
Der Both, und gab (nichts ahndend von Gefahr)
In Eile ihm, weil er nicht lesen konnte,
Den Brief, der schwarz versiegelt war.
Ludwig erbrach ihn froh, er las, las wieder,
Und rief dann staunend: ich betrogner Thor!
Beynah‘ erstarrten ihm vor Wuth die Glieder,
Die Haare sträubten sich empor;
Wildbrummend, wie ein nahes Donnerwetter,
Das, bald mit Flammen, und Verderben droht,
Sah er um sich; – ha! dieß zum Lohn‘ Verräter!
Begann er, und – erstach den Both‘.
Sein Antlitz bleichte sich vor jähem Grimme,
Sei heit’rer Blick ward dunkel, und verstört,
He Knappe! auf! so brüllte seine Stimme,
Auf! laß’t uns fort nach Donauwörth![6]
Rach’schnaubend jagt‘ er über Thal, und Hügel,
Und streute schon im Geiste Verheerung aus,
Sein Durst nach Blut‘ erzwang dem Rosse Flügel,
Zum Jahre ward ihm jede Paus‘.
Längst pfiff der Sturm durch nächtliche Gefilde,
Da sass Marie noch in dem Gemach‘
Sich süss‘ erquickend an des Gatten Bilde;
Bis ein Geräusch sie unterbrach.
Das Thurmhorn tönt, schon hört man in der Nähe
Gewieher, Knechtruf, und Pferdhufsschlag,
Ein rother Fackelglanz dampft in die Höhe,
Und macht die Nacht zum schnellen Tag‘.
Husch öffnen knarrend sich die Schloßportale,
Ein roher Freudenschall durchbraust den Hof,
Beschäftigt läuft vom hellbestrahlten Saale
Hier der Lachey, dort eine Zof‘.
Und seht! schon kam im Pfeilsflug‘ angeritten
Der Herzog; stumm rannt‘ er in’s Schloß zurück‘,
Der Boden wankte unter seinen Schritten,
Und grimmig funkelte sein Blick.
Frohlockend sprang der Brugvogt ihm entgegen,
Und rief: Heil wünscht euch euer Baierland!
Doch’s letzte Wort vom treu gesprochnen Segen
Starb mit dem Vogt‘ durch Ludwigs Hand.
Mit einem Herz‘ voll seligstem Verlangen
Erschien Marie jetzt im Feyerzug‘,
Um’s Leben vom Gemahl‘ frisch zu empfangen,
Der ihren Tod im Busen trug.
Wild stieß er’s Weib von sich, das seiner harrte,
Und das ihn wonniglich umarmen wollt‘,
Laut schwur er ihr bey seinem Herzogsbarte,
Daß sie durch’s Schwert vollenden sollt‘.
Ha! während ich, rief er, im deutschen Reiche
Den Flagellantentross mit Ruhm zerstör‘,
Besiegt ihr mich daheim durch Metzenstreiche
Raubt ihr zum Dank‘ mir Ruh‘ und Ehr‘.
Du hast, schrie er, mein eh’lich‘ Bett‘ geschändet,
Fürbaß! dieß zeigt dein Buhlschaftsbrieflein hier,
Du hast mein gutes Herz treulos geblendet,
Verderben geile Schlange! dir.
So donnerte durch lange, finst’re Hallen
Das Mördsgebrüll empörter Eifersucht,
Die Thürme bebeten ob dem Wiederschallen
Der Stimme, die der Unschuld flucht‘.
Umsonst betheuerte durch Schwur, und Thränen
Marie ihre Zucht dem tauben Ohr‘,
Vergebens bracht‘ die Dienerschaft mit Stöhnen
Das Zeugnis ihrer Tugend vor.
Sogar wollt sie[7] vor ihm durch Feuerprobe[8]
Die falsch geschwärzte Ehre reinigen;
Wozu (rief er mit höhnischem Getobe)
Durch Gauklerspiel mich peinigen?
Die Kammerfrau warf sich zu Ludwigs Füssen,
Und stellte ihm beklemmt sein Unrecht dar;
Schweig‘ (schrie er) Kupplerinn! – auch
Schnell‘ reifte sie zur Blut’gen Bahr.[9]
Noch blieb Mariens Aug‘ auf ihn geheftet,
Noch schlug ihr keusches Herz für den Gemahl;
Da schleppte amn sie zitternd, und entkräftet
In schweren Ketten aus dem Saal‘.
Und ach! schon wankt im Kreis‘ der Henkerswache
Rein (wie ein Cherub) sie der Schlachtbank‘ zu;
Schon fällt durch’s Schwert das Opfer blinder Rache
(Eh‘ bethend noch für Ludwigs Ruh‘.)
Du hörtest Nachts o Fels! die Todtenglocke,
Die kläglich in der stillen Luft erscholl,
Als von dem schwarzbedeckten Marterblocke
Das Blut der frommen Duld‘rinn quoll.
Du sah’st den Sturz der Freundinn[10] von Marien,
Die seine Wuth auf dir zerschmettert hat,
Du hörtest noch ihr schmerzhaft‘ Athemziehen,
Bevor ihr Geist zum Ew’gen trat.
Doch schnell‘ wie Blitz erwachte sein Gewissen,
Und raubte ihm die jüngsterflehte Ruh‘,
Der Vorwurf quälte ihn mit Schlangenbissen
Beym Wort‘: Fünffacher Mörder du!
Kein Sternchen schien am trüb’bewölkten Himmel,
Und selbst die Burg, wo man sonst Feste gab,
Glich ausser dem Klag’tönenden Getümmel
Der Wetterfähnlein einem Grab.
Da warf Ludwig sich bang‘ auf’s Lager nieder,
Verzweiflung wälzte ihn dort hin, und her;
Bald fuhr er auf, bald sank er kraftlos wieder
Dahin, und fühlte doppelt schwer
Die Größe des Verbrechens, das ihn schreckte;
Jetzt schloß ihm Mattigkeit die Augen zu,
Er schlummerte; – allein! urplötzlich weckte
Ein Traumgesicht ihn aus der Ruh‘.
Die Bilder der Gemordeten erschienen
Vor ihm unschuldig, und in Blut’ger Reih‘;
Betäubt las er aus ihren Drohungsmienen
ie Anklag‘ seiner Tyranney,
Allein! Mariens Geist noch (wie im Leben)
Den Gatte liebend, der ihr Mörder war,
Both mit dem Glanz‘ der Himmelskron‘ umgeben
Sanft die Versöhnungshand ihm dar.
Gamahlinn! wie? du kannst dem Mann‘ verzeihen,
Der dich aus Leidenschaft getödtet hat?
O Engel! laß mich erst genug bereuen,
Erst büssen meine Gräuelthat!
(So rief Ludwig von Wehmuth hingerissen)
Für euer Blut auch arme Opfer ihr!
Sprach thränend er, hab‘ ich noch streng‘ zu büssen,
Wie gern‘ will ich’s; nur – Schonung mir!
Kaum sprach er es; da schwanden die Gestalten,
Versteinert ward sein Blick; denn Angst, und – Schmerz,
Die sein Vergeh’n mit Höllenschwärze mahlten,
Durchstachen ihm wie Dolch das Herz.
Er wachte auf; – doch’s Feuer seiner Jahre
Erlosch noch vor dem ersten Morgenlicht‘;
Sein junges Haupt bedeckten Greisenhaare[11]
Und Schwermuth furchte das Gesicht.
Ludwig erkannte hier mit heil’ger Bebung
Den Strafewink der zornenden Gottheit;
Er machte sich voll kindlichster Ergebung
Zum steng’sten Bußerschritt‘ bereit.
Ja (seufzte er) ich will das Unrecht tilgen,
Will waschen das schuldlos vergoßne Blut
Von meiner Hand, will pflanzen Rosen, Lilgen
Dort, wo einst die Verklärte ruht.
Nicht ehnder will ich mehr den Thron besteigen,
Worauf ich Baierns Wohl zu gründen dacht‘,
Bis (fuhr er fort) der Menschheit Flüche schweigen,
Und Buß‘ mein Loos verzeihlich macht.
Dann legte er die Fürstenkleider nieder,
Wallfahrtete dem ärmsten Pilger gleich
Nach Rom, und kaufte sich vom Pabste wieder
Für schweres Gold das – Himmelreich.[12]
Noch heute flüstern sich mit heil’gem Schauer
Erfahr’ne Mütterlien in’s Ohr, daß man
Um Mitternacht auf dieser Felsenmauer
Oft Geister – Blutroth sehen kann.
[1] Auf dieser Burg hatte 1256 Ludwig der Strenge (Herzog aus Baiern) residieret.
[2] Einer gebohrenen Herrzogstochter aus Brabant.
[3] Eine gewöhnliche Festivität der alten Ritter, der man sich vorzüglich um Mitternacht bey fürstlichen Hochzeiten bediente.
[4] Um die schwärmerischen Horden der Ruhestörenden Flagellanten zu züchtigen.
[5] Den Rauhgrafen Hugo
[6] Hieß damals Werd.
[7] Die Herzoginn
[8] Eine Art der gefährlichsten Torturen, durch dessen glückliche Ueberstehung die Alten ihre gekränkte Unschuld rechtfertigen, und hiedurch mit Triumpf der Todesstrafe entgiengen.
[9] Ward von ihm gleichfalls erstochen.
[10] Der Obersthofmeisterinn, die er in der nämlichen Schreckensnacht von den höchsten Zinnen des Schlosses lebendig auf den Fels herabstürzen ließ.
[11] Gemäß einer uralten Volkssage sollen ihm als 27jährigem Jünglinge die Haare über Nacht grau geworden seyn.
[12] Bekanntlich stiftete er nach seiner Rückkehre das schöne Cisterzienserkloster Fürstenfeldbrugg in Baiern, wo nun auch seine Gebeine ruhen.
S. 223
Fromme Empfindungen vor dem Grabmale der im Benedictinerkloster zu Donauwörth ruhenden Marie von Brabant, (Herzoginn aus Baiern,) die ihr Gemahl (Ludwig der Strenge) aus Eifersucht unschuldig enhaupten ließ.
Ruh’ sanft o fromme Martyrinn
Der Vorzeit! – siegreich trug’st du fremde Weibersunden
Auf der Versöhnungsschal’ zur Gottheit hin,
Um durch dein schuldlos’ Blut ihr ew’ges – Wohl zu gründen.