Haus Nr. 281 / Berger Vorstadt 17

(abgerissen 10/2022)

 

Wie dem Burgfriedensplan von 1544 zu entnehmen ist, war der Bereich der Berger Vorstadt bereits zu dieser Zeit schon bebaut. Die nördliche Vorstadt hatte sich offenbar außerhalb der damaligen Stadtbefestigung entwickelt und wurde erst später in die Stadtbefestigung einbezogen.

Auf der Katasteruraufnahme von 1813 ist das Anwesen Nr. 281 lagegleich mit der späteren Berger Vorstadt 17 verzeichnet.

Lage von Haus Nr. 281 (später Berger Vorstadt 17) / Ausschnitt aus:

Bei dem Gebäude handelte es sich um einen traufständigen, zweigeschossigen Putzbau mit Satteldach. Das Erdgeschoß wurde seit dem 19. Jahrhundert als Ladengeschoss genutzt.

Auf der südlichen Giebelseite, hin zu einem kleinen Hof, befand sich ein hölzerner, von zwei Stützen getragener Laubengang, der von einem Klebdach überfangen wurde, und der lt. Einschätzung des Denkmalamtes aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammte.

An der südöstlichen Grundstücksgrenze befand sich die angebaute ehem. Holzlege, die später als Waschküche genutzt wurde. Der kleine eingeschossige Putzbau hatte ein steiles, befenstertes Pultdach und öffnet sich über ein Tor zum Hof.

Im Inneren des Gebäudes waren u.a. sichtbar: eine gründerzeitliche Treppe mit gedrechseltem Antrittspfosten und Geländer mit Drechseldocken, eine gründerzeitliche Feldertür, gründerzeitliches Fischgrätparkett in Teilen des Obergeschosses, Solnhofener

Kalksteinplatten vor dem Kellerabgang  Als vereinzeltes Stück einer biedermeierzeitlichen Ausstattung war eine Vierfeldertür mit breitem Mittelsteg im Bereich des östlichen Abschlusses des Laubengangs erhalten. Lichtnischen im Keller legten nahe, dass die Umfassungswände der Unterkellerung spätmittelalterlich oder frühneuzeitlich war.

Im Bereich des Dachstuhls wiesen einige Balken Blattsassen auf, die eine Zweitverwendung ebenfalls spätmittelalterlicher/frühneuzeitlicher Hölzer vermuten ließen. Die Konstruktion des Kehlbalkendachs mit stehendem Stuhl entstammte wohl dem 19. Jahrhundert.

Das Anwesen Nr. 281 wird in der sog. Häuserliste von Maria Zelzer[1] geführt, die auf einem mutmaßlichen Grundbuchfragment aus dem 19. Jahrhundert basiert. Es handelt sich dabei wohl um Auswertungen von Ratsprotokollen oder Steuerlisten. Auffällig ist hier, dass seit der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg über rund zwei Jahrhunderte hinweg die Besitzer von Beruf Seiler waren; seit den 1860er Jahren sind Kaufmänner respektive Krämer dokumentiert.

1928 wurde an der östlichen Traufseite zu einer Altane umgebaut.

1939 und 1944 sind in als Eigentümer die Geschwister Proeller überliefert, die eine Kolonialwarengroßhandlung, Weinkellereien und Fabrikation von Likören unterhielten. 1939 wurde das Gebäude umgebaut. Der Ladeneingang wurde verlegt, zwei Schaufenster eingebaut.  Bei diesem Umbau wurde der Laden deutlich vergrößert.

Nach der Nutzung als Kolonialwarenhandlung wurde das Gebäude vermietet an

  • Malermeister Ambrosy
  • eine Videothek
  • Goldschmiede Koschta (bis 09-2022)

2020 erfolgte anhand von Fotodokumentationen[2] eine denkmalfachliche Bewertung. Demnach war die „überlieferte historische Bausubstanz nicht aussagekräftig genug, um eine stadt- und sozialgeschichtliche Bedeutung eines ehem. Handwerker- und späteren Wohn- und Geschäftshauses anschaulich ablesen zu können“. Ein Eintrag in die Bayerische Denkmalliste erfolgte daher nicht.

Um 2021 wurde das Gebäude verkauft. Es gab dabei mehrere Kaufinteressenten, darunter zumindest auch ein „Sanierungswilliger“. Zum Zug kam (wieder einmal) ein Investor für Abriss-Neubau. Die Abrissanzeige für das historische Anwesen erfolgte im Frühjahr 2021, der Abriss begann Ende Oktober 2022.

Bei der bayernweiten Aktion des Bayerischen Landesvereins für Heimpflege „Abriss des Jahres 2022“ vom 28.12.2022 bis 09.01.2023 wurde auch das Anwesen Berger Vorstadt 17 nominiert. Bei diesem landesweiten (Negativ-)Wettbewerb erreichte dieser unnötige[3] Abriss historischer Bausubstanz den 8. Platz.

Nach dem Abriss entsteht/entstand an dieser Stelle ein modernes, deutlich größeres, energieeffizientes[4] Mehrparteienhaus mit 5 kleinen Wohneinheiten[5], das hinsichtlich des Ortsbildes nur beliebig wirkt und auch irgendwo sonst stehen könnte.

 

Quellen:
– öffentliche Sitzungen zu Neubau-Vorhaben Berger Vorstadt 17 (28.09.2020; 07.12.2020; 22.03.2021)
– öffentliche Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses am 18.03.2021 (mit Info Inhalt Stellungnahme des BLfD)
– Auskünfte verschiedener Nachbarn

 

[1] Stadtarchivarin von 1947 bis 1960 (siehe auch Maria Zelzer – Weg und Schicksal einer fast vergessenen Historikerin)

[2] aufgrund der damaligen Corona-Epidemie kein Vor-Ort-Termin des BLfD

[3] Sanierung möglich; sanierungswilliger Kaufinteressent war vorhanden

[4] lt. öffentlicher Sitzung vom 22.03.2021 mit Energieeffizienzstandard Kfw 40+.

[5] Insbesondere die Größe des Gebäudes wurde von den Nachbarn sehr kritisch gesehen; diese hatten dementsprechend im Genehmigungsverfahren dem Mehrparteienhaus die Zustimmung verweigert; zu diesem Sachverhalt gab es allerdings keinen Hinweis in den Sitzungsvorlagen und keine entsprechende Nachfrage im zuständigen Ausschuss