Am 14./15.Juli 1922 erschien im Donauwörther Anzeigenblatt nachstehender Beitrag:
Der Donauwörther Stadtforst und seine Bewirtschaftung.
Von Forstmeister Wild – Kaisheim.
Eines der wertvollsten Besitztümer der Stadt Donauwörth ist der Stadtforst. Er ist seit Jahrhunderten im unbestrittenen Eigentum der Stadt, war ursprünglich in seinem Hauptteile königliches Gut und ist der Stadt im Jahre 1347[1] von Kaiser Karl IV. als Preis für den Abfall von Kaiser Ludwig verliehen worden. Ein Teil kam durch Tausch mit dem Fürsten Wallerstein in den Besitz Donauwörths, ein dritter Teil endlich konnte im Jahre 1918 um sehr billigen Preis erworben werden.
Die gesamte Fläche umfaßt zur Zeit rund 1014 ha, wovon etwa 10 ha auf Nichtholzboden (Wege, Steinbrüche usw.) entfallen.
Der Wald liegt zwischen 430 und 555 m Meereshöhe. Bei einer mittleren Jahrestemperatur von 6,90C und 600-650 mm Niederschlägen ist das Waldgebiet klimatisch als relativ warm und trocken zu bezeichnen. Von besonderer Bedeutung für die Waldwirtschaft ist das sehr häufig und oft in besonders starkem Maße erfolgende Auftreten von Rauhreif und Duftanhang, eine Folge der Nähe der Flußtäler der Donau und des Lechs.
Der Boden ist teils Verwitterungsprodukt von Marmor- und Felsenkalk des obersten, weißen Jura, teils lehmige Albüberdeckung, meist frischer tiefgründiger Lehmboden, bald schwer, bald mittelschwer, bald mehr oder minder mit Sand gemischt, in Einsenkungen vielfach feucht bis naß. Für den Holzwuchs ist er im Großen und Ganzen vorzüglich geeignet.
Leider ist der Wald, der eine vorzügliche Finanzquelle für die Stadt sein könnte, mit Forstrechten stark belastet. Nicht weniger als 2330 Ster Derbbrennholz und 466 Wellenhunderte sind jährlich aus demselben unentgeltlich an die Forstrechtler abzugeben. Nur die Hauerlöhne sind von diesen der Stadt zu ersetzen. Diese Rechtholzabgabe drückt natürlich die Einnahme der Stadt aus dem Walde bedeutend herab; denn abgesehen vom Entgang des Wertes derselben muß manches zu Nutzholz geeignete Holzstück zu Brennholz zerschnitten werden und außerdem bilden die Forstrechte in ihrer Einseitigkeit als Laubholzrechte ein Hemmnis für die rationelle Entwicklung der Waldwirtschaft; denn nachdem sie einmal bestehen, muß in der Wirtschaftsführung auf die Möglichkeit ihrer restlosen Befriedigung Rücksicht genommen werden, auch wenn für den Stadtsäckel dadurch Verluste entstehen.
Im Donauwörther Stadtforst sind fast alle deutschen Laubhölzer von der hochwertigen Eiche bis zur minderwertigen Aspe vertreten. Leider überwiegen in der dermaligen Bestockung die geringwertigen Holzarten, größere Flächen sind überhaupt nicht oder nur ungenügend bestockt.
Die Bewirtschaftung erfolgte im sogenannten Mittelwaldbetriebe, einer Wirtschaftsform, bei der auf derselben Fläche neben dem durch Stockausschläge gebildeten und Brennholz liefernden Unterholz das ein höheres Alter erreichende vorwiegend aus Kernwüchsen bestehende, Nutzholz liefernde Oberholz gezogen wird, hervorgehen aus dem Ueberhalte einer entsprechenden Anzahl wüchsiger Stangen, die man das doppelte bis mehrfache Alter des Unterholzes erreichen läßt. Mittelwaldbetrieb ist nur bei Laubholzbestockung möglich, da nur Laubholz Stockausschläge liefert.
Die wirtschaftliche Form der Bewirtschaftung eines Waldes bildet der Mittelwaldbetrieb nicht, weil er weder an Masse noch an Wertproduktion das höchste aus dem Boden herausholt. Das Unterholz ist infolge der Beschattung durch das Oberholz meist schwach und minderwertig, das Oberholz infolge des Freistandes kurzschaftig, rauhaftig, in seiner Jahrringbildung ungleichmäßig und daher technisch minderwertig. Infolge der mit Mittelwaldbetrieb naturnotwendig verbundenen öfteren Kahlhiebe verrast der Boden gern und verhärtet, außerdem wird er durch die großen Anforderungen die dieser Betrieb wegen des großen Anfalls nährstoffreicher Produkte (Astholz und Rinde) an die Bodenkraft stellt, leicht erschöpft und geht ungemein rasch in seinen Leistungen zurück. Ausgedehnte Mittelwaldungen Deutschlands sind und werden notgedrungen in Hochwald – meist Nadelholzhochwald – überführt und die Fläche des Mittelwaldes ist allenthalben im Rückgange.
Von dem Schicksal des Rückganges der Produktion ist auch der Donauwörther Stadtforst nicht verschont geblieben. Während er noch Mitte des vorherigen Jahrhunderts pro Jahr und Hektar 4,4 fm Ertrag abwarf, liefert er zur Zeit nur mehr 2,5 fm. Zum Vergleiche mit den bereits in Hochwald überführten ehemaligen Mittelwaldungen der benachbarten Staatswaldungen mit gleichen Boden- und klimatischen Verhältnissen sein bemerkt, daß sich hier der jährliche Durchschnittszuwachs auf 7-8 fm pro Jahr und Hektar berechnet.
Daß der Stadtwald in seiner Produktion im Rückgange begriffen sei, wurde schon Mitte des vorigen Jahrhunderts, als die Staatsforstverwaltung die technische Betriebsleitung übernahm, festgestellt, schon damals hat der Fertiger des ersten Wirtschaftsplanes eine Umstellung auf eine andere Betriebsart – Hochwald – verlangt. Das Verlangen wurde bei der jedesmaligen Neuaufstellung von Wirtschaftsplänen unter Hinweis auf die fortschreitende Produktionsminderung des Waldes wiederholt, ist aber bei den entscheidenden Stellen nicht durchgedrungen – wohl weil man Auseinandersetzungen mit den Forstrechtlern fürchtete. Man hat nun mit allen der damaligen Forsttechnik geläufigen Mitteln, wie aus den Kulturnachweisungen hervorgeht, versucht durch Einbringen wertvoller Laubholzheister usw. den Waldstand wieder zu heben, leider mit geringem Erfolg. Nur die Nadelholzpflanzungen, die man als letztes Hilfsmittel auf den schlechtesten Bodenstellen eingebracht hat, zeigen allgemein gutes Gedeihen. Die Hauptursache des Bestandsrückganges – eine infolge Jahrhunderte langer Bestockung des Bodens mit Laubhölzern eingetretene gewisse Bodenmüdigkeit – die ja auch der Landwirt kennen lernt, wenn er Jahr für Jahr auf derselben Fläche dieselbe Frucht baut (daher Fruchtwechsel) – konnte man eben nicht beseitigen. Dazu kam – und damit erklärt sich der rapide Rückgang in den letzten Jahrzehnten – daß infolge der steigenden Anforderungen der Landwirtschaft und der wachsenden Bevölkerung der Boden vielfach auch seiner natürlichen Düngemittel Gras, Seegras, Streu, Reisig usw. beraubt wurde. Wurde das Gras dazu noch, wie das vielfach mit oder ohne Erlaubnis geschah, mit der Sichel oder gar der Sense gewonnen, so verschwand damit gar manche wertvolle Pflanze aus dem Walde und wandert in das Maul des Viehs. Berücksichtigt man weiter, daß überhaupt ein geregelter Mittelwaldbetrieb infolge Lage des Waldes am Nordrande des Donautals wegen des häufig auftretenden Duftbruches großen Schwierigkeiten begegnet, so muß man, da sich klimatische Verhältnisse durch Menschen nicht ändern lassen, zu dem Schlusse kommen, daß eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Stadtforstes nur durch eine Aenderung der Betriebsart erhofft werden kann. Nach den Erfahrungen der der Forstwirtschaft im Allgemeinen und speziell in hiesiger Gegend kann als die für den Stadtwald geeignetste Wirtschaftsform nur der Hochwaldbetrieb angesehen werden.
Er ist diejenige Betriebsform, auf der in erster Linie die Rentabilität des Waldes beruht, er liefert nach Masse und Wert die meisten Produkte, stellt an die Produktionskraft des Bodens die geringsten Anforderungen, außerdem vermag er dessen günstige physikalischen Eigenschaften Frische und Lockerheit am besten zu erhalten. Mit Rücksicht auf die Pflege des Bodens einerseits und die Rentabilität des Waldes andererseits – die unter unseren heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen mehr als je angestrebt werden muß – legt der moderne Forstmann keine reinen Laub- oder Nadelholz- sondern nur mehr aus beiden Baumarten gemischte Waldbestände an. Als bestes Mischungsverhältnis hinsichtlich Bodenpflege und Waldertrag bezeichnet man im allgemeinen ein solches von 0,7 Nadelholz zu 0,3 Laubholz. Für den Donauwörther Stadtforst ist dieses Mischungsverhältnis aber nicht geeignet, weil es die Abgewährung der Berechtigungshölzer gefährden würde. Eine solche könnte wohl mit einem Verhältnisse von 0,6 Nadelholz zu 0,4 Laubholz erreicht werden, um aber sicher zu gehen wurde in den Vorschlägen für die neue Bewirtschaftung seitens des Stadtrates die Proportion umgekehrt, so daß also ein gemischter Hochwald entstehen soll, der 0,6 Laubholz und 0,4 Nadelholz umfassen wird. Dadurch wird wohl die Rente der Stadt aus dem Walde geschmälert, aber die Abgewährung der Forstrechte sichergestellt. Weiter wurde mit Rücksicht auf die Forstrechte bestimmt, daß der Uebergang aus dem Mittel- in den Hochwaldbetrieb ganz allmählich zu erfolgen habe. Alle Flächen, auf denen noch Mittelwald in einigermaßen brauchbarer Form stockt, sollen so lange als es irgendwie angängig erscheint, als Mittelwald erhalten bleiben, und nur diejenigen Flächen, bei denen nach dem dermaligen Bodenzustande nicht mehr möglich ist, anderes als Nadelholz zu pflanzen, sollen mit solchem in Bestockung gebracht werden. Wo geeignete Stellen vorhanden sind, werden daher unter Schirm bessere Laubhölzer, vorwiegend die Rotbuche, eingebracht, edle Laubholzarten jüngeren Alters werden gepflegt, um sie in die künftige Bestockung übernehmen zu können. Kurz es sollen alle Maßnahmen, die möglich sind, ergriffen werden, um für den künftigen Hochwald einen möglichst großen Laubholzgrundbestand schon von vornherein zu sichern. Auf diese Weise wird es möglich werden, allmählich die geringwertigen Laubhölzer zurückzudrängen und an ihrer Stelle edle Laubhölzer zu bringen. Die zahlreichen, teils auf größeren Flächen vorhandenen, teils in den Beständen zerstreuten gänzlich oder nahezu unbestockten und daher ertragslosen Flächen sollen möglichst rasch mit geeigneten Holzarten aufgeforstet und wieder der forstlichen Produktion dienlich gemacht werden. Auch die zur Zeit vorhandenen älteren reinen Fichtenbestände werden, wenn der dazu geeignete Zeitpunkt gekommen sein wird, durch Unterbau von Buchen in Lücken und lichten Stellen in gemischte Bestände überführt werden.
Setzen dann, wie vorgesehen, gleichzeitig entsprechende Pflege der Bestände durch Lichtungshiebe zur Hebung des Zuwachses und zur Begünstigung edler Holzarten, ferner sachgemäße Läuterungen und Durchforstungen ein, so ist zu erwarten, daß in Zukunft die Forstberechtigten nicht nur das ihnen zustehende Quantum in besserer Qualität erhalten, sondern daß auch der Stadt erhebliche Einnahmen aus dem Verkaufe des Ueberschusses zufließen werden.
Wie und wann diese Maßnahmen durchzuführen sind im Einzelnen hier zu schildern, würde zu weit führen. Vorstehende Ausführungen sollen und können nur einen allgemeinen Ueberblick über die zur Hebung des Waldstandes geplanten Grundlagen geben. Den richtigen Zeitpunkt und die richtige Methode zu finden, muß den berufenen Forsttechnikern überlassen werden, die im Verein mit dem Stadtrate, bezw. dessen Forstausschuß, die dem gegebenen Zeitpunkte und dem jeweiligen Waldorte entsprechenden Anordnungen beraten und durchführen werden.
[1] Nach Auskunft von Stadtarchivar Dr. Ottmar Seuffert wurde die Schenkung am 26. Mai 1348 besiegelt
______________________________________________________________________________________________________________________________________
Vergleich verschiedener 1922 genannter Daten mit heutigen Zahlen
1922 | heute | |
mittlere Jahrestemperatur | 6,9oC | 8,5oC [2] |
mittlerer Jahresniederschlag | 600-650 mm | 752mm [2] |
Gesamtfläche Donauwörther Stadtwald | 1014 ha | 917 ha [3] |
Jahresertrag | 2,5 fm/ha | 5,2 fm/ha [3] |
[2] climate-data.org (Durchschnitt 1982-2012)
[3] www.donauwoerth.de (2019)
___________________________________________________________________
Quellen:
- Stadtarchivar Dr. Ottmar Seuffert, mündliche Auskünfte (2016)
- Stadtarchiv Donauwörth: Magazin III, Zeitungsbestand 1922
- www.climate-data.org
- www.donauwoerth.de