nachstehender Betrag erschien 1930 in:
Der Heimatfreund, Nr. 6;
zwanglos erscheinende Blätter / hrsg. in Verbindung mit dem Historischen Verein für Donauwörth und Umgebung
„Der Heimatfreund“ erschien von 1924 bis 1939; bis 1931 als Beilage zum Donauwörther Anzeigeblatt, dann als Beilage zur  Donauwörther National-Zeitung 

 

St. Johanniskirche in Donauwörth.

(St. Johannes ante muros.)

K. Schabel, Pfarrer, Berg.

 

Pfarrkirche und Pfarrdorf Berg, auf der Hagenau gelegen, sind ohne Zweifel sehr alt. Schon vor mehr als tausend Jahren wurden von hier aus die Segnungen des Christentums den ältesten Ansiedlungen an der Wörnitz gebracht. Die Burg und der Flecken Werd gehörten ursprünglich zur Pfarrei Berg, so daß Berg und die Pfarrkirche von Berg, zuerst dem hl. Martinus, später dem hl. Laurentius geweiht, die Mutterpfarrei und die Mutterkirche der Stadt Donauwörth ist. Erst im 12. Jahrhundert, als der Flecken Werd zur Stadt erweitert wurde, wurde daselbst auch eine eigene Pfarrei „zu unserr lieben Frau“ gegründet. (Königsdorfer, 1. Bd. S. 356 und 357). Noch im 16. Jahrhundert gehörte ein Teil der unteren Vorstadt (das sogen. Ried) zur Pfarrei Berg; auch die Behausungen außerhalb der Stadtmauern gegen Norden (obere Vorstadt oder Berger-Vorstadt) gehörten und gehören heutigen Tages noch zum Pfarrbezik Berg. Ebenso steht der Pfarrhof von Berg in der Berger Vorstadt, Hs-Nr. 274 ½. Um das Jahr 1425 hat sich Werd gegen die kriegerischen Angriffe des Herzogs Ludwig des Bärtigen stark befestigt und um die Stadt Mauern und Graben gezogen. So wurden die Bewohner der nördlichen Vorstadt von der eigentlich befestigten Stadt abgeschnitten und ihnen der Zugang zu den Stadtgottesdiensten, namentlich zu den Frühgottesdiensten versperrt, jedenfalls aber erschwert. Der Weg in die eigentliche Pfarrkirche Berg war ihnen zu weit und zu beschwerlich. Dies gab den Bewohnern der Vorstadt Anlaß, eine Kirche vor der Mauern der Stadt sich zu erbauen. Mehrere reiche Bürger von Werd, namentlich Konrad Walter und Otto Vetter, gaben zu diesem Zweck Geldbeträge. Und „Jedermann beeiferte sich, das fromme Werk durch freiwillige Beiträge nach Kräften zu fördern.“  Genannter Otto Vetter, ein ebenso rechtschaffener als reicher Bürger von Werd, der selbst die bedeutendsten Opfer hiezu brachte, erhielt vom Magistrat den Auftrag, Beiträge zu sammeln; auch wurde er mit der Leitung des Baues betraut. So entstand vor den Mauern von Werd auf der Stätte eines alten, zum Abbruch gekauften Hauses ein Kirchlein. Im Jahre 1425 legte Abt Kraft von Kaisheim, der Patronatsherr von Berg, den Grundstein zur Kirche, die dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht wurde. Drei Altäre wurden in der Kirche errichtet und dieselbe mit allem Notwendigen ausgestattet. Aus den Ueberschüssen der gesammelten Beiträge und eigenem Vermögen im Gesamtbetrag von 700 Gulden machte der edle Vetter eine Stiftung zur neuen Johanniskirche, wonach in derselben „zum Besten der umherwohnenden Familien an jedem gebotenen Feiertag gleich nach der Stadtfrühmesse, sowie jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag in der Woche eine heilige Messe gelesen werden soll.“

Die genaue Vollziehung dieser ewigen Stiftung nahm Abt und Konvent des Klosters Heiligkreuz auf sich, doch ohne allen Eintrag und Abbruch der alten Mutterpfarrei Berg und des Stiftes Kaisersheim als deren Patron, mit Einschluß der ganzen Vorstadt. Dies wurde im Jahre 1629 am 26. Mai von Bischof Heinrich von Augsburg bestätigt. Zwei Jahrhunderte hindurch wurde der Gottesdienst in der Kirche vom Konvent des Klosters Heiligkreuz versehen. Zur Zeit der Religionskriege wurde in Pfalz-Neuburg die lutherische Lehre eingeführt und die Johanniskirche wurde im Dezember 1552 den Lutheranern zum Gottesdienst übergeben. Während dieser protestantischen Periode konnten die gestifteten Vetterschen Gottesdienste nicht mehr gehalten werden. Auch gab es während dieser Zeit viele Zwistigkeiten zwischen dem Pfarrer von Berg und den Herren von Werd, welche die Kirche ganz für sich in Anspruch nahmen, das Berger Meßnerhaus und noch einige zur Pfarrei Berg gehörige Häuser niederrissen. Später scheinen sich die Verhältnisse gebessert zu haben. Auch fiel die Kirche wieder in den Besitz der Katholiken zurück. Im Jahre 1535 verlegte die Stadt den Gottesacker, der bisher um die Stadtpfarrkirche „Unserer lieben Frau“ gelegen war, hinaus zur St. Johanniskirche. Die Leichen trug man quer durch die Kirche auf den Friedhof.

Bis zur Zeit der französischen Revolutionskriege diente die Kirche ihrem ursprünglichen Zweck, der Abhaltung der Gottesdienste für die Bewohner der oberen Vorstadt. Doch während der Revolutionskriege im Jahre 1796 fiel sie der Profanation zum Opfer. Die kaiserlichen Truppen machten dieselbe zu einem Getreide-, Mehl- und Heumagazin. Im weiteren Verlauf der Kriege mußte sie wiederholt zur Aufnahme von gefangenen, kranken und verwundeten Soldaten dienen. Später ging die Kirche in das Eigentum der Stadt über, welche sie ebenfalls zu profanen Zwecken, zur Unterbringung von Baumaterialien, Holz usw. benützte.

Endlich nach fast 60jähriger Profanation und Verödung sollte die Kirche wieder ihrem eigentlichen Zweck, ihrer kirchlichen Bestimmung, übergeben werden. Die Wiederherstellung der Kirche war schon längst von den Bewohnern Donauwörths gewünscht worden. Auf Anregung der Geistlichkeit taten sich in Jahre 1851 einige Bürger der Stadt zusammen und brachten es durch regelmäßige Wochensammlungen zuwege, daß die Herstellung der Kirche im Jahre 1854 vollendet war. Am 7. Juli 1854 wurde sie in Anwesenheit der städtischen Behörden und einer großen Volksmenge durch Domkapitular D. Johann Stadtler von Augsburg feierlich eingeweiht und ihrer kirchlichen Bestimmung übergeben. Auch wurde für die Kirche St. Johann eine eigene Kirchenverwaltung bestellt. – Das größte Verdienst und Lob verdient bei Wiederherstellung der Kirche der Glockenwirt und Magistratsrat Held in Donauwörth. Ihm ist es in erster Linie zu verdanken, daß die Kirche ihrem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt wurde. Von ihm schreibt der damalige Pfarrer von Berg, Konrad Hoser: „Wäre er nicht gewesen, so hätte der vielen Meinungen und anderweitiger Zwecke wegen die Sache scheitern müssen.“

Als die Kirche im Jahre 1854 bezogen wurde, war sie nur notdürftig ausgestattet. Nur der alte Hochaltar war noch vorhanden, die Nebenaltäre fehlten ganz. Da fand sich eine große Wohltäterin in der Apothekerswitwe Anna Bratsch, geb. Knoller, von Merching. Sie ließ drei neue Altäre auf ihre Kosten bei Altarbauer Wiest in Schrobenhausen machen. Dieselben sind dem Stil der Kirche entsprechend ebenfalls gotisch. Der Hochaltar hat das Bild des Kirchenpatrons, des heiligen Johannes des Täufers, in der Mitte; zu beiden Seiten des Heiligen, sehen wir die Bilder von Zacharias und Elisabeth, der Eltern von Johannes. Der linke Nebenaltar rägt das Bild des heiligen Josef, der rechte das Bild Mariä-Verkündigung. Die Bilder sind alle aus Holz geschnitzt. Die Kosten derselben beliefen sich auf 2000 Gulden. Einen weiteren Schmuck erhielt die Kirche in zwei Glasfenstern vorn im Chore, Christus am Oelberg und Christus der Auferstandene. Sie stammen aus der Glasmalerei Mittermayer in Lauingen und kosteten 700 Gulden. Gestiftet sind sie von dem schon genannten großen Wohltäter Glockenwirt Held in Donauwörth. Im Jahre 1877 erhielt die Kirche eine neue Orgel, geliefert vo der bekannten Firma Steinmeyer in Oettingen. Das Wertvollste, was die St. Johanniskirche jedoch besaß, war ein altes Oelgemälde, das zur Zeit im städtischen Museum als Leihgabe zu sehen ist. Es ist nur zu wünschen, daß es nach der im Jahre 1930 geplanten Restauration der St. Johanniskirche an seinen ursprünglichen Platz gebracht werde. Die St. Johanniskirche blieb auch nach ihrer Wiederherstellung Filialkirche von Berg. Eigentümerin ist die Stadt Donauwörth, welcher auch die Unterhaltung des Kirchengebäudes zukommt, während die Kirchenstiftung St. Johann für die innere Kircheneinrichtung aufzukommen hat. Die Johanniskirche hat die ursprünglichen Formen ihres gotischen Baues fast unversehrt bewahrt. Der Chor hat im Innern ein Rippengewölbe, während die Decke des Langhauses flach ist. In dem erst später dazugekommenen Dachreiter hängen zwei Glöcklein, welche nicht bloß gottesdienstlichen Zwecken dienen, sondern auch bei Beerdigungen beider Konfessionen der Stadt benützt werden. Im Jahre 1927 wurde die Sakristei von der kalten und feuchten Nordseite auf die Südseite der Kirche verlegt, nachdem die Stadt in entgegenkommender Weise auf diese Seite zwei neue gotische Fensterstöcke hat einbauen lassen. Auch wurde in diesem Jahre das elektrische Licht eingerichtet.

Seitdem die Kirche von St. Johann ihre eigentliche Bestimmung wieder erhalten hat, wird in derselben auch wieder Gottesdienst gehalten und der Stiftung des großen Wohltäters der Kirche, Otto Vetter, vom Jahre 1445 nach Möglichkeit wieder Rechnung getragen. Jeden vierten Sonntag im Monat wird in der Johanniskirche der Pfarrgottesdienst gehalten, ebenso am zweiten Feiertag nach Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Dienstag, Freitag und Samstag jeder Woche wird die heilige Messe gelesen. Die Taufen und Trauungen für die Vorstadtpfarrei werden ebenfalls in der Johanniskirche gelesen.

Wie seit den ältesten Zeiten, gehören auch heute noch die Behausungen der Berger Vorstadt, soweit sie außerhalb der Stadtmauer gelegen sind, zur Pfarrei Berg. Durch die Siedlungen an der Sallingerstraße und im Berger Baugelände hat sich die Seelenzahl der Vorstadt bedeutend vermehrt. Vor hundert Jahren zählte man 160 Seelen, im Jahre 1928 waren es deren 405 Seelen, so daß die Vorstadtgemeinde die Muttergemeinde Berg um mehr als 100 Seelen überholt hat. In den kommenden Jahren wird das noch weit mehr der Fall sein. Wie sich dann die Verhältnisse weiter gestalten werden, das wollen wir der Zukunft überlassen.