Quelle
v. S. (1816, 8. März): Briefe eines deutschen Offiziers, geschrieben auf einer Reise nach Frankreich, im Jahre 1815. In: Zeitung für die elegante Welt, Nr. 49, S. 385-387

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Donauwerth, den 27. Juli 1815.

Heute Morgens verließ ich Augsburg, und traf bei guter Zeit in dem Städtchen ein, aus welchem ich diesen Brief schreibe. Donauwerth ist eine artige kleine Stadt, und liegt an der Donau, in welche sich hier die Werniz ergießt. Diese ehemalige schwäbische freie Reichsstadt ist seit dem Jahre 1607 baierisch. Die Art, wie sie es wurde, ist merkwürdig genug, um angeführt zu werden. Unter der Regierung des deutschen Kaisers Ferdinand und seines Sohnes gewann in Donauwerth die protestantische Religion ein solches Uebergewicht, daß den katholischen Bürgern zur Ausübung ihres Glaubens nur noch eine einzige kleine Kirche im Kloster zum heiligen Kreuze übrig blieb. Ein fanatischer Abt dieses Klosters wagte es, zur großen Unzufriedenheit der Protestanten, an einem katholischen Kirchenfeste eine öffentliche Prozession mit Kreuz und Fahnen zu veranstalten. Das Jahr darauf wollte er am nämlichen Tage die Prozession wiederholen, – aber diesmal gelang es nicht wie das erste Mal. Der wüthende protestantische Pöbel schlug der zurückkehrenden Prozession das Thor vor dem Gesichte zu, riß die Fahnen zu Boden, beleidigte und beschimpfte die andächtigen Katholiken auf alle nur mögliche Art. Eine kaiserlich Citation folgte dieser Gewaltthat; – als aber das Volk sich sogar beinahe an den abgeschickten kaiserlichen Kommissarien vergriffen hätte, auch alle Versuche zu einer gütlichen Beilegung vergeblich waren, erfolgte endlich die förmliche Reichsacht gegen die Stadt, und es wurde zugleich dem Herzoge Maximilian von Baiern aufgetragen, diese Strafe zu vollstrecken. Nun verwandelte sich aber auf einmal der Troz der Donauwerther Bürger in kleinliche Feigheit, und sie streckten bei Annäherung des baierlichen Heeres ohne weiteres die Waffen. Die gänzliche Abschaffung des protestantischen Gottesdienstes in der Stadt war die traurige Folge dieser Unruhen, alle Privilegien gingen verloren, und die schwäbische freie Reichsstadt sah sich nun mit einem Male in ein demüthiges baierisches Landstädtchen verwandelt. An den heutigen Einwohnern ist der Uebermuth ihrer Ahnherren nicht zu bemerken.

Das wichtigste Gebäude in Donauwerth ist das ehemalige Benediktinerkloster zum heiligen Kreuze. Es liegt auf einer Anhöhe am Ende der Stadt, und präsentirt sich sehr gut. Graf Mangold von Dillingen hat dieses Kloster im Jahre 1030 zu bauen angefangen. In der Stadt befand sich ehemals auch eine Comthurei. Diese wurde vom Kaiser Karl V. im Jahre 1536 an die Grafen Fugger verpfändet; Kaiser Karl VII. aber hat selbige wieder eingelöst. – Gegenwärtig ist Donauwörth eine sogenannte baierische Invalidenstation. Es befinden sich ohngefähr gegen dreihundert ausgediente Krieger hin, und es soll für sie ziemlich gut gesorgt seyn.

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Nördlingen, den 28. Juli 1815.

Ich konnte mich heute, ehe ich Donauwörth verließ, nicht enthalten den Schellenberg zu besteigen, der gleich vor der Stadt liegt. Von diesem Berge aus wurde 1634 die Stadt von den Schweden, und sodann auch von den Kaiserlichen beschossen. Bei der sogenannten Schellenschanze genießt man eine wahrhaft prächtige Aussicht. Diese Excursion auf den Schellenberg war die Ursache, daß ich ziemlich spät in Nördlingen eintraf …