31.12.2016
Die Abbruchgenehmigung für das Wagenknechthaus ist laut Einschätzung der Regierung von Schwaben (RvS) “bestandskräftig”! Die Argumentation der Regierung von Schwaben (insbesondere deren Resümee in Auszug 8 mit Betrachtung) sollte man sich aber ruhig etwas genauer anschauen.
Argumente der Regierung von Schwaben bzw. der Stadt Donauwörth für den Bestand der Abrissgenehmigung:
Auszug 1: “Der Eigentümer sei nicht leistungsfähig. …”
Contra:
- Unbestritten ist, dass der “formale Eigentümer und Antragsteller” für die notwendige Sanierung nicht entsprechend “leistungsfähig” ist. Dies gilt allerdings nicht für die bereitstehenden “Investoren-in-spe”. Diese sind als “leistungsfähig” anzusehen. Der vorgeschriebene Nachweis von erfolglosen Verkaufsbemühungen liegt zudem nicht vor..
- Auch die verbindlich vorgeschriebene Zumutbarkeitsprüfung ist nach Angabe der Regierung von Schwaben nicht erfolgt.
Auszug 2: “… Aus eigener Ortskenntnis ist der Regierung der relativ schlechte Erhaltungszustand der Gebäude bekannt; insbesondere fehlen auf der rückwärtigen Seite hin zur Sonnenstraße teilweise die Fensterscheiben. Beim “Café Engel” fehlt zur Sonnenstraße hin auch teilweise die Fassade, so dass man ins Gebäudeinnere sehen kann…”
Contra:
Natürlich fehlt bei Café Engel ein Teil der Fassade. Dies liegt schließlich daran, dass im September 2016 bereits ein ehemals vorhandener Anbau abgebrochen wurde.
Auszug 3: ” … Die Standsicherheit und die Dauerhaftigkeit des Wagenknechthauses werden als stark eingeschränkt und in Teilbereichen als nicht mehr gegeben bewertet…”
Contra:
- Noch im Januar 2014 hatte die Stadt Donauwörth in Kenntnis des Zustands die Einstufung als Baudenkmal befürwortend zur Kenntnis genommen.
- Bereits im Oktober 2015 wurde vom BLfD eine Notsicherung (d.h. u.a. Schließen der Lücken im Dach) gefordert. Diese einfache Maßnahme wurde nicht durchgeführt, die dadurch eingetretene Verschlechterung ist durch die Untere Denkmalschutzbehörde (Stadt Donauwörth) zu verantworten. Das BLfD bot für Notsicherung einen Zuschuß von 90%.
- In einer Stellungnahme des BLfD (September 2016) zur Abbrucherlaubnis heißt es: “… Das Gutachten erbringt damit den Nachweis, dass das Gebäude erhaltungs- und reparaturfähig ist und macht daher Vorschläge für ein Instandsetzungskonzept, die aus hiesiger Sicht befürwortet werden und weiter verfolgt werden sollten…”.
Auszug 4: “… Die für den Denkmalschutz wichtigen Teile des Dachstuhls könnten nicht erhalten werden …”.
Contra:
- Mit dieser Aussage soll wohl die Bedeutung für den Denkmalschutz heruntergespielt werden. Denkmalamt, Denkmalrat, Stadtheimatpfleger und Bezirksheimatpfleger betonen aber nach wie vor die außerordentlich hohe Bedeutung.
- In der o.g. Stellungnahme des BLfD heißt es auch: “… Die Bilanzierung der Schäden im Gutachten zeigt ein eindeutiges Ergebnis: Der Anteil der erhaltungsfähigen bauzeitlichen Konstruktionshölzer kann mit ca. 63 % angegeben werden. Die übrigen ca. 37 % der Konstruktionshölzer sind durch zimmermannsmäßige Reparaturen zu ergänzen…”
- Was ist mit dem baugeschichtlichen Gutachten? In einer Pressemitteilung der Stadt Donauwörth hieß es “… man müsse weitere Gutachten abwarten…”. Unbestritten ist, dass tatsächlich ein bauhistorisches Gutachten in Auftrag geben wurde und diese Untersuchungen erfolgt sind. Allerdings wurde das entsprechende Gutachten dem Landesamt bislang (Stand 12/2016) nicht vorgelegt.
Auszug 5: “… nur eine gemeinsame Entwicklung des Wagenknechthauses mit dem Nachbargebäude aufgrund der Gebäudebreiten und -tiefen realisierbar sei.” Belegt wurde dies damit, dass sich frühere Nutzungsüberlegungen mit C&A bzw. Adler deshalb zerschlagen hätten. Wegen der unterschiedlichen Höhenniveaus beider Gebäude sei aber für eine gemeinsame Entwicklung deren Abriss erforderlich.
Contra:
- “gemeinsame Entwicklung … aufgrund der Gebäudebreite…”? Heißt das, das Wagenknechthaus soll abgerissen werden soll, weil der Grundstückszuschnitt des Café Engels für das Projekt der Investoren zu schmal ist?
- Als die Nutzungsüberlegungen mit C&A bzw. Adler erfolgten, ging es noch überhaupt nicht um das Wagenknechthaus, sondern “lediglich” um das Nachbargebäude (siehe DZ vom 19.11.2013 “Café Engel wird abgerissen”)
Auszug 6: “… Ergänzend wies die Stadt auf die fehlende ausreichende Belichtung der Gebäude wegen der Grundstückstiefe hin …”
Contra:
- Die Belichtung scheint bei dem Bestandsgebäude Reichsstraße 12-12a (Wagenknechthaus) nicht schlechter als anderswo. Bei den Häusern Reichstraße 4, 6, 14 und 16 dürften die Belichtungsverhältnisse ganz ähnlich sein.
- Relevanz des Argumentes “Belichtung”?
Auszug 7: “… Auch entsprächen die Raumhöhen nicht dem Baurecht; teilweise könnten erwachsene Menschen darin nicht aufrecht stehen …”
Contra:
- Die Raumhöhe im 1.OG (zumindest in der Gebäudehälfte Reichsstraße 12) wäre tatsächlich ohne Rückbau/Umbau so nicht nutzbar. Die außerordentlich geringe Raumhöhe in diesem Bereich ist auf Baumaßnahmen (in den 80iger Jahren???) zurückzuführen, bei denen u.a. die Decke des EG (Ladennutzung) auf Kosten des 1.OG angehoben wurde.
Auszug 8: “…Zusammenfassend kann man daher sagen, dass zwar formal das einzuhaltende Prüfungsverfahren nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG von der Stadt Donauwörth nicht eingehalten wurde, dass aber insbesondere aufgrund der prekären Situation des Eigentümers ein für das Denkmal günstiges Ergebnis nicht zu erwarten ist, auch wenn die Defizite im Verfahren und bei der materiellen Prüfung nicht vorliegen würden. … Abschließend weist die Regierung von Schwaben … darauf hin, dass die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zum Abbruch des Gebäudes bestandskräftig ist …”
Contra:
Aus der Beurteilung von Vorgang und Argumentation durch einen Juristen mit Schwerpunkt Denkmalrecht heißt es dazu u.a.:
“… Es wurde seitens des BLfD schon mehrfach ausführlich dargelegt, in welch eklatanter Weise im vorliegenden Fall gegen die Grundprinzipien der Bayerischen Verfassung verstoßen wurde sowie nun mit Abbruch des Einzelbaudenkmals auch nachdrücklich würde. In keiner Phase des Planungs- und Genehmigungsvorgangs ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen des Antragstellers, das ist eben ja ersichtlich NICHT der Investor des Nachbargrundstücks!, an dem konkreten Projekt auch nur annährend ermittelt worden wären, geschweige denn ein sachliches Gewicht aufwiesen, das es hätte rechtfertigen können, in der vorgesehenen Weise eines der ältesten profanen baulichen Zeugnisse Bayerns zu beseitigen. Daher ist die baudenkmalschutzrechtliche Erlaubnis im Sinne und in gebotener Umsetzung der an die gesamte öffentliche Hand gerichteten Entscheidung des BayVerfGH vom 22. Juli 2008 (s. o.) wegen groben Verfassungs- und Gesetzesverstoß von Anfang an i. S. v. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG NICHTIG.
Im vorliegenden Fall kann in diesem Sinne allerdings noch rettend eingegriffen werden. Die hierfür zuständige Oberste Denkmalschutzbehörde müsste die nachgeordneten Behörden entsprechend informieren und in geeigneter aufsichtlicher Weise dafür Sorge tragen, die offenkundig gegen die Bestimmungen der Bayerischen Verfassung und des DSchG erlassene – „rechtswidrige“, wenngleich bestandskräftige – baudenkmalrechtliche Erlaubnis als nichtig zu deklarieren; Vertrauensschutz i. S. v.
Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG besteht im Fall der Nichtigkeit nicht, …
Ob und inwieweit die Oberste Denkmalschutzbehörde im Freistaat Bayern willens sein wird, diesen eklatanten tatsächlichen wie rechtlichen Skandal aufzugreifen und entsprechend rettend einzugreifen, …” bleibt abzuwarten.
Pressemitteilungen und Presseecho zu der Entscheidung der Regierung von Schwaben:
Pressemitteilung der Stadt Donauwörth vom 06.12.2016
Der Abbruchbescheid der Stadt Donauwörth für das Wagenknechthaus in der Reichsstraße 12/12a ist bestandskräftig und im Ergebnis richtig. Eine entsprechende Stellungnahme hat die Regierung von Schwaben jetzt mitgeteilt und ausführlich begründet. Anlass einer intensiven Prüfung des Sachverhaltes durch die Regierung von Schwaben als höhere Denkmalschutzbehörde und Aufsichtsbehörde der Stadt Donauwörth als untere Denkmalschutzbehörde waren unterschiedliche Sichtweisen insbesondere von Stadt und Landesdenkmalamt bei der Frage, ob das Gebäude grundsätzlich sanierungsfähig ist und ob im Vorfeld des am 11.8.2016 erteilten Abbruchbescheides die Belange des Denkmalschutzes in ausreichender Form gewürdigt worden waren. Hierfür war bereits Ende Oktober bei einem gemeinsamen Treffen des Regierungspräsidenten von Schwaben, Karl Michael Scheufele, Generalkonservator Prof. Mathias Pfeil und Oberbürgermeister Armin Neudert in Augsburg vereinbart worden, dass die Stadt die Begründung im Abbruchbescheid ergänzen und nachreichen muss. Nachdem die Stadt diesem Ansinnen unverzüglich nachgekommen ist und auch der Landesdenkmalrat als beratendes Gremium der Bayerischen Staatsregierung in seinem jüngsten Beschluss vom 25.11.16 die Regierung von Schwaben um eine Klärung der Angelegenheit noch bis 2.12.2016 gebeten hatte, hat die Regierung von Schwaben zu diesem Zeitpunkt ihre Stellungnahme abgegeben. Die Regierung von Schwaben rügt zwar den formalen Ablauf des Verfahrens, folgt der Argumentation der Stadt aber in den wesentlichen Punkten. So sei von einer Sanierung durch den Eigentümer des Gebäudes nicht auszugehen, andere Kauf- oder Nutzungsinteressenten seien nicht in Sicht und in der Vergangenheit abgesprungen. Eine Nutzung des Gebäudes für Wohnen und gewerbliche Einheiten sei aufgrund der geringen Raumhöhen von zum Teil nur 1,37 Metern nicht möglich. „Hinter uns liegen beim Thema Wagenknechthaus schwierige Monate. Insbesondere unzutreffende Behauptungen in der Öffentlichkeit, denen wir unsererseits mit Hinblick auf das laufende Verfahren und berechtigte Schutzinteressen Dritter, wie beispielsweise des Eigentümers oder des Investors, nicht entgegentreten konnten, haben Stadt und Verwaltung sehr gefordert“, so Oberbürgermeister Armin Neudert. So war beispielsweise wiederholt die Ansicht geäußert worden, ein Gutachten habe ergeben, dass gut 60 Prozent der Gebäudeteile erhaltungsfähig seien. Tatsächlich beziehe sich diese Zahl nur auf die Holzteile tragender Konstruktionen, und damit bei weitem nicht auf das ganze Gebäude. Auch müssten insbesondere fast alle hölzernen Verbindungskonstruktionen laut Gutachten in jedem Fall weitgehend ersetzt werden. „Dass nun Klarheit geschaffen ist und der Abbruchbescheid der Stadt von der Aufsichtsbehörde gehalten wird, ist wichtig, auch für die Entwicklung der Innenstadt, um die es uns hier geht“, so Oberbürgermeister Armin Neudert. Ziel sei es jetzt, einzelne historische Teile des Gebäudes wie beispielsweise Balkenverbindungen des Dachstuhles herauszulösen, zu konservieren und für die Öffentlichkeit – anders als bislang – sichtbar zu machen. Die Stadt sieht sich – entgegen anders lautender Behauptungen – dem Denkmalschutz verpflichtet und hat sich immer wieder auch stadtplanerisch und finanziell umfangreich engagiert. So zum Beispiel bei der Restaurierung des heutigen Fachärztezentrums Maximilium, dem zuvorigen Hotel Krebs, oder dem Forum für Bildung und Energie (VHS-Gebäude) im Spindeltal mit der Sicherung und Freilegung der Grundmauern der Mangoldburg.
Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vom 07.12.2016
In Bezug auf das Wagenknechthaus in Donauwörth hält das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) an seiner denkmalfachlichen Bewertung fest: Das Wagenknechthaus ist ein Denkmal von hoher bau- und ortsgeschichtlicher sowie städtebaulicher Bedeutung und grundsätzlich erhaltungswürdig. Elementare Bestandteile der im Verfahren notwendigen Abwägung fehlen – ob das Haus instandsetzungsfähig und nutzbar wäre, ist bis heute nicht untersucht worden. Das BLfD bedauert es sehr, dass sein Angebot, zu diskutieren, ob eine Erhaltung des Denkmals mit der Neubauplanung vereinbar wäre, nicht angenommen wurde.
Das BLfD ist nach wie vor der Meinung, dass die Bescheide der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Donauwörth (Abriss, Neubau) die Vorgaben des Denkmalschutzgesetzes und die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 12.08.2015) nicht ausreichend berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund nimmt das BLfD die Stellungnahme der Regierung von Schwaben mit Bedauern zur Kenntnis.
In der Presse:
Donauwörther Zeitung, 08.12.2016: Wagenknechthaus: Erleichterung bei der Stadt
Augsburger Allgemeine, Bayernteil, 08.12.2016: Wagenknechthaus darf abgerissen werden